Die Baeren entdecken das Feuer
hinter dem Kaufhaus rollte ein Synthesizer auf einem Holz-und-Draht-Karren mit Gummirädern. Er wurde von einem alten Mann in einem schwarzen, wegen der Kälte des Planeten engmaschigen Pullover gezogen, und von einem Jungen in einer Lederjacke.
Eine alte Frau, ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet, und ein lächelnder Mann, der um die Vierzig sein mußte, folgten hinter ihnen. Sein Lächeln war das Lächeln der Blinden.
»Sie leben immer noch hier?« fragte jemand.
»Wo könnten sie sonst leben?«
Sie blieben stehen, und ein kleiner, gelber Hund sprang aus dem Karren. Der alte Mann klappte die Tastatur des Synthesizers auf und verband seine Kabel mit einer verrottenden Energiezelle. Funken flogen. Der Junge nahm ein schmutziges Bündel aus dem Karren und wickelte eine Geige und ein Tamburin aus. Er reichte das Tamburin dem blinden Mann.
Die alte Dame trug eine schwarze Plastikhandtasche. Sie sah nicht die anderen, sondern uns an; und ich hatte das ›Gefühl‹, daß sie sich zu erinnern versuchte, wer wir waren.
Der blinde Mann lächelte an uns vorbei, über uns hinweg, als hätte hinter uns eine größere Menge die Piazza betreten. Er wirkte so überzeugend, daß ich mich sogar ›umdrehte‹, um mich zu vergewissern. Aber natürlich war die Piazza leer. Die Stadt war leer, sah man von uns und ihnen ab; der Planet war leer. Er war schon seit tausend Jahren leer; leer, während sich die Meere senkten und hoben und wieder senkten; leer seit der Veränderung.
Die alte Dame beobachtete, wie sich unser Führer aufblähte und zu einer Sichel zusammenschrumpfte, so daß wir einen Halbkreis um die Musiker bildeten. Ihr Gesicht war so rauh wie die Steine der Kirchenwand; eingefallen wie die Fassade.
Bis auf die Lederjacke des Jungen, die zu sehr glänzte, war alles, was sie trugen, alt. Alles war billig. Alles war schwarz oder grau.
Der alte Mann schaltete den Synthesizer ein und fing an, Akkorde in Dreierblöcken zu spielen. Eine elektronische Rhythmusmaschine begleitete ihn, ein langsamer Walzer. Nach ein paar Takten fiel der Junge auf der Geige ein, mit hohen, klagenden Tremolos.
»Wo bleibt der Gesang?« beschwerte sich jemand flüsternd. »Wir sind den ganzen Weg durch das Universum gekommen« – eine leichte Übertreibung! –, »um den Gesang zu hören.«
»Sie haben früher für die Touristen gesungen«, sagte unser Führer. »Jetzt kommen nur noch gelegentlich Gruppen wie unsere.«
Der blinde Mann fing an zu tanzen. Mit dem Hund zu seinen Füßen, tanzte er einen Walzer um unseren kleinen Halbkreis, schlug das Tamburin zunächst gegen einen Handrücken und dann gegen seine Hüfte. Wenn seine Füße unseren Photonenschattenführer streiften, glitzerten seine Schuhe und sahen fast neu aus.
So plötzlich, wie er angefangen hatte, hörte er wieder auf, und der alte Mann rief laut:
»Hidalgos y damas estimadas…«
Es war eine Abart des Lateins, die ich fast verstand, Katalanisch oder Spanisch oder vielleicht auch Rumänisch. Über uns hinwegblickend (genau wie es der Blinde getan hatte), hieß uns der alte Mann auf unserer alten, unserer Starnmheimat willkommen, wo wir immer willkommen sein würden, gleichgültig, wie weit wir uns entfernten, gleichgültig, wie viele Jahrhunderte wir fernblieben, gleichgültig, welche Gestalt wir wählten usw.
»Y ahora, una canción auténtica de Alterde…« Er nickte dem Jungen zu, der ein herzzerreißendes Bluesthema spielte…
Der blinde Mann sah nach oben, wo ein Mond, der Mond, den halben Himmel ausfüllte; dann streckte er sich ihm auf Zehenspitzen entgegen und öffnete den Mund, entblößte geschwärzte Zahnstümpfe; und dann hörten wir den Gesang, für den wir durch das halbe Universum gereist waren.
Gefolgt von dem kleinen Hund, ging der blinde Mann singend von einer Seite unseres Halbkreises zur anderen. Es war wunderschön. Es klang genauso, wie wir es uns immer vorgestellt hatten. Seine Augen waren geschlossen (jetzt, wo er sang), aber der Hund sah uns offen an, einen nach dem anderen, von unseren ›Füßen‹ aufwärts, als würde er etwas oder jemanden suchen. Ich konnte den Text nur teilweise verstehen, aber während das Lied anstieg und abebbte, wußte ich, daß er von den Meeren und den Städten sang und von den Jahrhunderten vor der Veränderung, als die Gene unsere Vorfahren an einen einzigen Planeten und eine einzige Form fesselten. Sein Lied wurde zu einer Klage, als er von den Jahrhunderten danach sang und von dem Universum, das endlich uns
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