Die Baeren entdecken das Feuer
(oder nicht darin) war, wurde nicht mehr registriert, wenn es an den Rand meines Blickfelds rückte.
»Unsere Bio-Teams haben ihn sich vorgenommen«, sagte Hvarlgen. »Keines der Instrumente registriert ihn. Man kann ihn weder anfassen, wiegen noch in irgendeiner Weise messen, und er hat keine elektrische Ladung. Er ist nicht einmal nicht da. Ich vermute, es handelt sich um eine Art von Suppe aus Antiteilchen. Fragen Sie mich nicht, warum unsere Augen ihn sehen können. Ich glaube, sie sehen den Teil von ihm, der nicht ist, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Ich nickte, obwohl ich es nicht verstand.
»Er erscheint nicht auf einem Videoband, aber ich habe noch die Hoffnung, daß er von einem Analogsystem erfaßt werden kann.«
»Analogsystem?«
»Auf chemische Weise. Wir filmen ihn.« Hvarlgen deutete auf einen gewehrähnlichen Gegenstand, der wacklig an eine der Wände montiert war. Er surrte, folgte der Bewegung ihrer Hand und nahm dann wieder die Glasschüssel ins Visier. »Ich habe mir das antike Stück extra für diesen Job heraufschicken lassen. Alles, was unser AO tut, ist auf dem Film festgehalten, vierundzwanzig Stunden am Tag.«
»Ein Film!« sagte ich. Ich war wieder einmal beeindruckt. »Was macht es denn genau?«
»Es sitzt da in der Schüssel. Das ist das Problem. Es weigert sich zu… oder ist ›weigern‹ ein zu anthropomorphes Wort für Sie? Lassen Sie mich neu beginnen. Soweit ich sagen kann, tritt es nur mit lebendem Gewebe in Kontakt.«
Mich schauderte. Lebendes Gewebe? Daraus bestand ich selbst, zumindest noch für einige Jahre, und ich begann zu verstehen oder wenigstens zu vermuten, warum ich hier war. Aber warum gerade ich? »Was genau meinen Sie mit ›in Kontakt treten‹?« fragte ich.
Hvarlgens Miene verdüsterte sich. »Schauen Sie nicht so sorgenvoll drein«, sagte sie. »Trotz der Geschichte, die mit Mersault passiert ist, handelt es sich nicht um ein Selbstmordkommando. Lassen Sie uns noch einen Kaffee trinken, und ich werde es Ihnen erklären.«
Wir ließen das AO in seinem Goldfischglas und den Lunie mit seinem Gewehr zurück; er schloß die Tür sofort hinter uns. Als wir wieder im Grand Central waren, goß Hvarlgen uns zwei weitere Tassen starken, lunaren Kaffees ein. Ich betrachtete sie allmählich als ein Gerät auf Rädern, das unablässig Informationen absonderte.
»SETI wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts gegründet«, erklärte sie. »In gewisser Hinsicht war Voyager ein Teil des Programms. Die NASA übernahm es gegen Ende des Jahrhunderts und änderte den Namen, aber die Idee dahinter blieb dieselbe. Sie suchten nach Beweisen für intelligentes Leben. Man vermutete, daß eine wirkliche Kommunikation über solch gewaltige Entfernungen hinweg unmöglich sei. Ein Kontakt wurde sogar als noch unwahrscheinlicher angesehen. Aber in dem Fall, daß er sich doch ereignen sollte, nahm man nicht an, daß er sich auf einer ›Bringt mich zu eurem Häuptling‹-Basis abspielen, also daß einfach ein Raumschiff in London oder Peking landen würde, sondern daß es komplizierter sein könnte, und somit viel Raum für menschliche Sensibilität und Intuition in das System eingebaut werden mußte. Es mußte anpassungsfähig sein. So riefen die SETI-Direktoren das E-Team (E für ›Elliot‹) ins Leben, das bei einem Erstkontakt seine Arbeit aufnehmen sollte, und zwar nur einundzwanzig Tage lang, unter strengster Geheimhaltung. Keine Presse, keine Politiker. Keine Erwachsenen, wenn Sie so wollen. Anstatt von einem Komitee sollte es von einer einzelnen Person geleitet werden, lieber von einem Humanisten als von einem Naturwissenschaftler.«
»Und Heber von einer Frau als von einem Mann?«
»Das war nur Losglück. Sie werden erstaunt sein, wenn Sie hören, wie der Schuß in diesem Fall nach hinten losgegangen ist.« Hvarlgen blickte wieder finster drein. »Auf jeden Fall war das E-Team zu der Zeit, als ich den Job erhielt, eher ein feuchtes, in die Geisteswissenschaften eingetunktes Brotkrümelchen als eine funktionierende Abteilung. Ich bekam eine kurze Einführung, ein Gehalt und einen Pieper, von dem keiner erwartete, daß er je in Aktion träte. Doch die Organisation funktionierte noch. Ich war Gastprofessorin für Psychologie an der UC Davis und wollte gerade die Universität von Reykjavik verlassen, als ich den Anruf erhielt – nur wenige Stunden nach dem Vorfall mit der Jean Genet. Ich befand mich schon auf dem Weg zur Orbitalstation, als Mersault starb. Oder
Weitere Kostenlose Bücher