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Die Baeren entdecken das Feuer

Die Baeren entdecken das Feuer

Titel: Die Baeren entdecken das Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kaffeeautomaten wartete, einem gigantischen russischen Apparat, der unsere Gesichter wie ein Kirmesspiegel reflektierte. Ich war überrascht, mich selbst zu sehen. Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat, hört man auf, in Spiegel zu gucken.
    Auf einem handgemalten Plakat über der Maschine las ich: D = 118.
    »Das sind die Stunden bis zur Rückkehr der Diana«, erklärte Hvarlgen. »Die Lunies sehen ihre Arbeit hier erstaunlicherweise als Härtefall an. Sie sind es nur gewohnt, einen oder höchstens zwei Tage hier zu verbringen.«
    »Sie hatten eine Einsatzbesprechung angekündigt.«
    »Stimmt.« Sie zog mir einen Kaffee und zeigte auf einen Stuhl. »Da Klatsch immer noch der Treibstoff unserer Organisation ist, nehme ich an, daß Sie trotz unserer intensivsten Bemühungen etwas über unser Projekt hier in Erfahrung gebracht haben.« Sie blickte finster drein. »Falls nicht, sind Sie zu blöd, um mit uns zu arbeiten.«
    »Es gab da ein Gerücht«, sagte ich. »Über einen ET.«
    »Ein AO«, korrigierte sie mich. »Bisher ist es nur als ein Anormales Objekt klassifiziert. Obwohl es tatsächlich gar kein Objekt ist, sondern eher eine Idee für ein Objekt. Wenn meine Arbeit – unsere Arbeit – erfolgreich ist und wir den Kontakt herstellen können, wird es zu einem ET aufgewertet. Es wurde vor etwa sechzehn Tagen im Erdorbit entdeckt.«
    Ich war beeindruckt. Johnny Hier hatte mir nicht gesagt, wie schnell das alles hier auf die Beine gestellt worden war. »Dann seid ihr aber alle ziemlich flott gewesen«, sagte ich.
    Sie nickte. »Was haben Sie noch gehört?«
    »Voyager«, sagte ich. »›Schickt uns mehr von Chuck Berry.‹«
    »Genauer gesagt Voyager II. Etwa 1977. Verließ die Heliosphäre 1991 und wurde zum ersten von Menschen gemachten Objekt, das in den interstellaren Raum eindrang. Letzten Monat, mehr als fünfzig Jahre nach ihrem Start, wurde die Sonde im Erdorbit gefunden, mit toten Batterien und ausgelaugten Brennstoffzellen scheinbar nur noch ein Haufen Weltraumschrott. Wie lange sie da herumtrieb, wer oder was sie zurückgebracht hat, und warum – das alles wissen wir noch nicht. Als sie in die Schleuse des Bergungsschiffes, der Jean Genet, gebracht wurde, heftete sich das, was nur ein Schatten zu sein schien, an ein Mitglied der Besatzung, einen gewissen Hector Mersault, anscheinend während man sich entkleidete. Sie bemerkten es nicht sofort, bis sie Mersault fanden, wie er in der Luftschleuse saß, halb ausgezogen und nicht ganz bei sich, als wäre er gerade aus einer Narkose erwacht. Er hielt seinen Helm in den Händen, und der Schatten schwamm wie eine Lache darin. Offenbar liebt unser AO enge Räume, wie eine Katze.«
    »Liebt?«
    »Wir erlauben uns gewisse Anthromorphismen, Major. Wir werden sie später berichtigen, falls es nötig ist. Noch einen Kaffee?«
    Während sie uns beiden eine weitere Tasse eingoß, schaute ich mich in dem Raum um. Es ist schwer, bei den Lunies Europäer von Asiaten und Männer von Frauen zu unterscheiden.
    »Wo ist denn dieser Mersault?« fragte ich. »Ist er hier?«
    »Leider nicht«, antwortete Hvarlgen. »Er spazierte am nächsten Morgen aus einer Luftschleuse. Aber unser Freund, das AO, ist noch bei uns. Kommen Sie. Ich werde es Ihnen zeigen.«
     
    Wir tranken unseren Kaffee aus, und ich folgte Hvarlgen den Tunnel entlang zu jener Außenkuppel, die als ›Die Andere‹ bekannt war. Hvarlgen fuhr ihren Rollstuhl leicht nach hinten gekippt, so daß die Vorderräder beinahe einen Fuß vom Boden entfernt waren; später erfuhr ich, daß der Neigungswinkel ihre jeweilige Stimmung wiedergab. ›Die Andere‹ war in zwei halbkugelige Räume unterteilt, in denen zur Regulierung des Öko-Systems das wuchs, was wir ›Kraut & Rüben‹ genannt hatten. Zwischen den beiden Räumen lag ein kleiner Lagerschuppen, auf den wir nun geradewegs zuhielten. Ein Lunie mit einem (hoffentlich bloß) zeremoniellen Gewehr schloß die Tür auf und führte uns in ein graues, geschlossenes ›Keilchen‹, das so eng wie eine Gefängniszelle war. Die Tür schloß sich hinter uns. Der Raum war leer, mit Ausnahme eines Plastikstuhls vor einem hüfthohen Regal, auf dem eine durchsichtige Glasschüssel stand, die an ein Goldfischglas erinnerte, und darin war…
    Nun, ein Schatten.
    Er hatte etwa die Größe einer Tastatur oder einer Melone. Es war schwierig, ihn anzusehen; er war irgendwie da und doch nicht da. Wenn ich zur Seite blickte, schien die Glasschüssel leer zu sein. Was immer darin

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