Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bärenkralle: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
Vom Netzwerk:
ermordet … lag vor meiner Tür … hat eine kleine Tochter.«
    Sie brach schluchzend zusammen. Pater Raymond stand auf und ging zu ihr. Mit zwei Fingern berührte er den Stoff ihres Mantels.
    »Das ist bei dir im Haus passiert? Sie war deine Nachbarin?«
    Miriam beugte den Nacken. Er wirkte so dünn und verletzlich.
    »Das ist eine furchtbare Geschichte«, tröstete er sie. »Und du bist in sie hineingezogen worden. Das ist so sinnlos.«
    Sie blickte zu ihm auf.
    »Als hätte sich alles nur um mich gedreht, Pater, von Anfang an …« Sie war blass, ihr Make-up verlaufen. Als er ihr nacktes, hilfloses Gesicht sah, spürte er das, wofür er keine Worte fand, stärker als je zuvor. SEINE Spuren im Gesicht des anderen.
    Miriam nahm das Tuch und trocknete sich ihre geschwollenen Augen.
    »Es ist etwas geschehen«, fuhr sie fort, »unmittelbar bevor ich hierherkam.«
    Sein Oberkörper schwang kaum merklich hin und her. Das erhöhte seine Aufmerksamkeit.
    »Willst du es mir erzählen?«
    Sie zögerte.
    »Ich weiß es nicht. Ich will Ihnen das nicht zumuten.«
    »Liebe Miriam, du weißt, dass du mir alles erzählen kannst. Es gibt nichts, das für mich unzumutbar wäre.«
    Sie griff nach seiner Hand und drückte sie kurz. Er schloss die Augen.
    »Liebe Miriam …«, wiederholte er.
    »Es lag etwas in meinem Briefkasten. Ein Umschlag mit … schrecklichen Fotos.«
    »Was für Fotos?«
    Sie begann zu zittern. Er musste sie an beiden Schultern festhalten.
    »Vielleicht solltest du dich an die Polizei wenden.«
    »Nicht bevor ich ganz sicher bin«, sagte sie. »Wenn ich mich irre, zerstöre ich sein Leben.«
    »Sein Leben?«
    Er schaute sie durchdringend an.
    »Sprichst du von ihm, mit dem du ein Verhältnis hast?«
    Sie schluckte ein paarmal.
    »Bedroht er dich, Miriam? Weil du ihn nicht mehr sehen willst? So etwas darfst du nicht zulassen.«
    Sie richtete sich auf. Ihr Blick strahlte plötzlich Entschiedenheit aus.
    »Es hilft mir immer, mit Ihnen zu sprechen, Pater. Hinterher weiß ich, was ich zu tun habe. Aber ich muss erst ganz sicher sein. Der Gedanke, für den Rest meines Lebens ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, ist mir unerträglich. Ich habe ihm schon so weh getan. Wenn ich mich irre, kann das sein Untergang sein. Ich muss mir erst anhören, was er dazu zu sagen hat. Er muss die Chance bekommen, alles zu erklären. Kann ich morgen wieder zu Ihnen kommen? Oder am Freitag?«
    »Komm, wann immer du willst, liebe Miriam.«
    Erneut nahm sie seine Hand. Diesmal hielt sie sie fest.
    »Ich wüsste gar nicht, was ich ohne Sie tun sollte.«
    Pater Raymond spürte, wie sich die Wärme in seinem Körper ausbreitete.
    »Aber Sie müssen mir versprechen, niemand davon zu erzählen.«
    Er stutzte.
    »Ich unterliege der Schweigepflicht, Miriam, das weißt du, doch wenn du irgendwie glaubst, in Gefahr zu sein …«
    Sie ließ seine Hand los.
    »Ich weiß nicht, ob ich dich so gehen lassen kann«, protestierte er. »Nicht bevor ich genau weiß, worum es eigentlich geht.«
    Sie zwang sich zu einem Lächeln.
    »Liebster Pater, wollen Sie mich einsperren? Bei den Nonnen des Katarinenstifts?«

    Pater Raymond musste seine Arbeit für diesen Tag ruhen lassen. Nachdem sie gegangen war, blieb er sitzen und lauschte dem Regen, der gegen das Fenster trommelte. Er zweifelte nicht, dass sie es ernst meinte. Er war zwar an seine Schweigepflicht gebunden, doch wenn Gefahr für Leib und Leben bestand, wurde sie außer Kraft gesetzt. Er beschloss, die Sache mit dem Prior zu besprechen.

52
    V ikens Blick ruhte auf dem Gesicht des Ermittlungsrichters Jarle Frøen. Seinen kahlen Schädel, der von Sommersprossen übersät war, zierte ein Kranz aus spärlichem roten Haar. Als hätte er unter der Leiter eines schlampig arbeitenden Malers gestanden. Die roten Flecken zogen sich bis in sein teigiges, bleiches Gesicht hinunter, das regelrecht auseinanderzulaufen schien.
    Viken genoss das Gefühl, die Situation unter Kontrolle zu haben, und ließ sich auch von Frøens überraschender Standhaftigkeit nicht irritieren. Im Gegenteil, er fand sie eher stimulierend. Er brauchte nicht einmal Dezernatsleiterin Agnes Finckenhagen anzusehen, um ihren Standpunkt einzuschätzen. Der Ausgang dieser Besprechung stand von vornherein fest.
    »Jetzt kommt es vor allem darauf an, einen kühlen Kopf zu bewahren«, gab Frøen zu bedenken. Viken lächelte entgegenkommend. Schließlich war es Frøens Aufgabe, genau zu überprüfen, ob die Beweislage für eine

Weitere Kostenlose Bücher