Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)
Dann bin ich aufgestanden, um die Zeitung zu holen.«
»Sie haben sich also gegen zwölf Uhr hingelegt und sind um kurz nach fünf aufgestanden, und in der Zwischenzeit haben Sie nichts gehört?«
Miriam blickte zu Boden.
»Lassen Sie sich nur Zeit«, sagte Viken. »Darauf werden wir ohnehin noch zurückkommen.«
»Ich habe nichts gesehen und nichts gehört.«
Eine halbe Stunde später gab Viken Nina ein Zeichen, das Gespräch zu beenden.
»Wir haben die Tote noch nicht identifiziert«, sagte Nina, »doch müssen wir damit rechnen, dass es sich um Ihre Nachbarin handelt.«
Miriam begann zu zittern.
»Sie ist es«, sagte sie leise.
»Glauben Sie?«
»Irgendetwas Schreckliches geht hier vor. Ich habe es die ganze Zeit gespürt.«
»Wenn ich richtig verstanden habe«, entgegnete Viken, »sind Sie gut mit ihr bekannt. Ich würde Sie gern um einen Gefallen bitten … falls Sie sich dazu in der Lage fühlen. Ich kann Ihnen sagen, dass uns das genauso schwerfällt wie Ihnen. Sie können aber auch ablehnen.«
Miriam ließ ihre Knie los und setzte die Füße auf den Boden. In diesem Moment klingelte das Telefon, das auf dem Couchtisch lag. Sie warf einen Blick auf das Display und schaltete es ab.
»Ist schon in Ordnung«, sagte sie. Ihre Stimme hatte sich wieder gefestigt. »Ich kann sie identifizieren.«
Nina ging mit ihr hinaus, während sich Viken in der Wohnung umsah. Als sie wieder hereinkamen, hatte Nina ihr den Arm um die Schultern gelegt.
»Sie sind sich ganz sicher?«
Miriam lehnte sich an sie.
»Ich habe die Tätowierung erkannt«, murmelte sie. »Der nackte Mann auf der Schulter.«
»Hatten Sie gestern Besuch?«, fragte Viken.
Miriam antwortete nicht.
»In der Küche stehen zwei benutzte Rotweingläser sowie eine leere und eine halbvolle Flasche.«
»Nein, ich hatte keinen Besuch. Den Wein habe ich allein getrunken … in den letzten Tagen.«
»Sie trinken also gerne Wein«, stellte Viken fest. »Haben Sie gestern Abend viel getrunken?«
Sie schloss die Augen. »Vielleicht ein bisschen zu viel. Irgendwann muss ich dann eingeschlafen sein.«
Bevor Viken aus dem Zimmer ging, warf er einen Blick in die Schlafnische und hob die Tagesdecke an. Darunter lagen zwei Bettdecken.
42
A m Dienstag um dreizehn Uhr setzte sich das Ermittlungsteam, das um vier Polizeitaktiker erweitert worden war, im Konferenzraum zusammen. Dezernatsleiterin Agnes Finckenhagen war ebenso anwesend wie Ermittlungsrichter Jarle Frøen. Der Raum war durch eine Schiebetür abgeteilt und besaß keine Fenster. Die Luft war bereits stickig und klamm.
Kommissar Viken referierte die letzten Ereignisse.
»Die DNA-Analyse liegt uns noch nicht vor, doch wir können davon ausgehen, dass es sich bei dem Opfer um die sechsunddreißigjährige Anita Elvestrand handelt, die am Sonntagnachmittag von ihrer Nachbarin als vermisst gemeldet wurde. Dieselbe Nachbarin hat die Identität der Toten bereits bestätigt.«
»Was ist mit den Angehörigen?«, fragte Agnes Finckenhagen.
Viken nickte Arve Norbakk auffordernd zu.
»Die Eltern leben nicht mehr«, teilte dieser mit. »Die Verstorbene hat eine Schwester in Spanien und einen Bruder, der auf einer Bohrinsel arbeitet. Beide sind informiert worden, werden in den nächsten Tagen aber nicht hierherkommen.«
Viken übernahm wieder.
»Die Nachbarin heißt Miriam Gaizauskas und ist litauische Staatsbürgerin. Sie studiert Medizin in Oslo. Wir werden später noch auf sie zurückkommen. Lassen Sie uns zunächst die Fotos aus der Pathologie angucken.«
Er bediente seinen PC.
»Meine Kollegin Jebsen und ich haben uns das Grauen persönlich zu Gemüte geführt. Machen Sie sich also auf was gefasst. Allerdings können Sie froh sein, dass die Bilder nicht stinken.«
Sigge Helgarsson lag ein Kommentar auf der Zunge, doch er wippte nur mit seinem Stuhl zurück und hielt den Mund.
Viken zog die Leinwand herunter.
»Wie Sie gleich feststellen werden, wurden dem Opfer charakteristische Verletzungen an Gesicht, Hals und Rücken zugefügt.«
Er zeigte mehrere Bilder des verunstalteten Körpers.
»Es sind dieselben Verletzungen, die auch die ersten beiden Todesopfer erlitten haben. In diesem Fall wurden dem Opfer zudem beide Beine abgetrennt, und zwar unmittelbar unter dem Hüftgelenk.«
»Ach du Scheiße!«, rief Helgarsson.
»Ganz deiner Meinung, Sigge«, bemerkte Viken.
Er zeigte das vergrößerte Bild eines abgetrennten Beines.
»Sieht das wie ein Bein aus, das von einem Tier abgerissen
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