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Die Ballade der Lila K

Die Ballade der Lila K

Titel: Die Ballade der Lila K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blandine Le Callet
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auf ihn zählen konnte, egal, was passiert , wenn er mich in meinen Momenten größter Verzagtheit heimsuchte, kamen mir allmählich Zweifel. Was mochte das Versprechen eines Toten oder Gespenstes wert sein? Je länger ich darüber nachdachte, desto stärker wurde mein Eindruck, dass ich mir etwas vorgemacht hatte. Monsieur Kauffmann würde mir nie wieder helfen können. Die Hoffnung, die ich in ihn gesetzt hatte, war bloße Illusion. Ich hatte mich daran geklammert wie an einen Rettungsring, um seinen Tod zu überleben.
    Das hat ihm nicht gepasst, dass ich an ihm zweifelte. Eines Tages, als ich wieder einmal auf dem Dach war und meinen trüben Gedanken nachhing, spürte ich ihn, irgendwo im Wind.
    »Geht’s Ihnen gut?«
    »Das wollte ich dich gerade fragen. Was ist nur mit dir los, Mädchen?«
    »Ich habe jede Hoffnung verloren, Monsieur Kauffmann.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie hatten doch versprochen, mir wegen meiner Mutter zu helfen. Aber Sie haben nichts unternommen …«
    »Ich habe gesagt, dass ich dir helfen würde. Nicht, dass du Däumchen drehen sollst!«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich habe meinen Teil getan. Jetzt bist du dran.«
    »Könnten Sie sich etwas klarer ausdrücken?«
    »Und dir auch noch den Rest der Arbeit abnehmen? Da lachen ja die Hühner! Jetzt streng mal ein bisschen deine Hirnmuskeln an, Himmelherrgott Sakrament noch eins!«
    Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen, egal, wie sehr ich ihn bekniete. Der Wind blies einfach zu stark.
    Ich bin in mein Zimmer zurückgegangen, um in Ruhe zu überlegen: Streng mal ein bisschen deine Hirnmuskeln an. Hatte er mir die entscheidenden Hinweise, die zu meiner Mutter führten, etwa schon geliefert, und ich hatte es bloß nicht begriffen? Hatte er sie vielleicht an einem bestimmten Ort deponiert, den ich erst noch ausfindig machen musste? Wenn das der Fall war, hatte er sicher Spuren gelegt. Wie bei einer Schnitzeljagd. Streng deine Hirnmuskeln an. Als ob es so einfach wäre!
    In meiner Ausweglosigkeit nahm ich das Lexikon zur Hand. Ich hatte es immer sehr beruhigend gefunden, darin zu blättern, denn so spürte ich seine Anwesenheit, als hätte er hier seine Seele hinterlassen und als würde mit jeder aufgeschlagenen Seite ein Stückchen davon freigesetzt. Ich dachte an den Tag zurück, als er mir das Lexikon geschenkt hatte. An sein wunderbares Lächeln: Alles Gute zum Geburtstag, Mädchen. Natürlich wusste er, dass es das falsche Datum war. Aber er wusste auch, dass er keine Zeit zu verlieren hatte. Sein letzter Besuch. Darin ist alles enthalten. Alles, was du brauchst. Das waren seine Worte gewesen, als er mir das Lexikon überreichte. Alles, was ich brauchte.
    Mein Herz fing an zu rasen, Diastole und Systole wechselten sich in einem Höllentempo ab, und mir wurde fast schwindlig. Ich blätterte wie besessen weiter. Darin ist alles enthalten. Das musste der Schlüssel sein. Alles, was du brauchst. Die Angaben zu meiner Mutter steckten hier drin. Es konnte gar nicht anders sein.
    Mindestens drei Stunden habe ich geblättert und gesucht – Sie wissen ja, wie das ist: Wenn man wieder Hoffnung geschöpft hat, gibt man sie nicht so schnell auf. Aber irgendwann musste ich einsehen, dass es sinnlos war. Ich hatte nicht den kleinsten Hinweis gefunden, nirgends. Hätte dieses Lexikon auch nur eine einzige Information über meine Mutter enthalten, wäre sie mir längst ins Auge gesprungen, so oft hatte ich es von vorne bis hinten und wieder zurück durchforstet.
    Ich klappte das Lexikon zu, saß einfach da und starrte es an. Was ich empfand, war keine Enttäuschung. Es war etwas Stärkeres, Tiefergehendes. Ich war verloren. Langsam fuhr ich mit dem Finger über den Umschlag aus glänzendem Fischleder. Ich streichelte ihn gern, weil er so weich war und weil er mich daran erinnerte, dass Monsieur Kauffmann für mich keine Kosten und Mühen gescheut hatte. Sieh dir mal den Einband an, Mädchen. Aus Fischleder! Sehr schön. Sehr kostspielig. Ich habe ihn eigens in Auftrag gegeben, um dem Werk eine persönliche Note zu verleihen … Da spürte ich eine Art Stromstoß in den Fingerkuppen, einen unmerklichen flüchtigen Schock. Darin ist alles enthalten. In diesem Moment ging mir ein Licht auf.
    Ich bin ganz ruhig geblieben und habe mich an den Schreibtisch gesetzt, mit dem Rücken zur Kamera, um auf Nummer sicher zu gehen. Eine Zeitlang betrachtete ich die Kostbarkeit, die vor mir lag. Meinen Schatz. Dann löste ich den herrlichen Umschlag so

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