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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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und ließ es wieder fallen. Gertrud hatte sich wieder aufgerafft. Schreiend stand sie vor ihm. »Du Zwerg! Du Schuft!«
    Neben ihm schrie Christine: »Du Feigling! Und du willst ein Mann sein!« Gertrud schlug ihm ins Gesicht. Mathias rührte sich nicht, nur die Fäuste ballte er.
    »Du Feigling«, Christines Stimme klang schrill. Sie lachte ihn aus.
    Gertrud spie ihm ins Gesicht. »Deine Tochter ist genauso eine Missgeburt wie du. Ich erstick sie. Ich werd sie ersäufen.«
    Mathias stieß einen Schrei aus. Er bückte sich nach dem Knüppel. Gertrud krallte sich in seine Jacke. »Ich bring das Kind um! Du Zwerg. Ich erstech dein Balg.«
    Nach dem zweiten Hieb auf ihren Kopf war sie still. Mathias schlug immer wieder auf den Schädel. Dann starrte er auf die tote Frau, die langsam an ihm heruntersank und zu seinen Füßen liegen blieb.
    Die beiden Gefährten standen da, hilflos, sie verstanden nichts. Christine zischte: »Sie ist tot, Fetzer.«
    Mathias sah zu den Kumpanen. »Ihr habt nichts gesehen«, murmelte er schwerfällig. Die beiden nickten stumm.
    Christine nahm seinen Arm: »Komm, wir müssen weg!«
    Mathias ließ sich widerstandslos aus der Scheune ziehen. Im Hof stand die Bäuerin. Sie starrte mit offenem Mund auf die kleine Gruppe, die ins Freie trat. Als sie das Blut an Mathias sah, schrie sie: »O Gott, steh uns bei!« Christine schlug ihr ins Gesicht: »Wir brennen deinen Hof nieder, wenn du ein Wort sagst.« Die Frau nickte und lief jammernd ins Haus.
    Christine und die Männer suchten nach einem Bach. Mathias wusch sich das Blut von den Händen, und Christine rieb seine Jacke und die Hose mit einem Stein, bis die Flecken nicht mehr zu sehen waren.
    Bis zum Abend schwieg Mathias, dann trank er Branntwein. Als Christine ihm ins Ohr flüsterte, dass sie nun für immer bei ihm bleiben wolle, da legte er einen Arm um sie. »Wir müssen noch mal zum Trotzenberg«, sagte er später. »Wir müssen die Leiche verscharren.«
    Eine Stunde vor Mitternacht klopfte die kleine Gruppe wieder an die Tür des Bauernhauses. Sebastian Trotzenberg öffnete ängstlich. Mathias hielt ihm die Pistole an den Hals. »Los, nimm eine Schaufel! Komm mit!« Der Bauer musste auf dem Feld ein tiefes Loch graben und Gertrud hineinlegen. Nachdem der Leichnam verscharrt war, trampelten die Männer die Erde fest. Samuel Trotzenberg musste Kohlpflanzen auf die Stelle setzen. Jetzt erst war Mathias zufrieden. Er drohte dem Bauern, ihn in vier Stücke zu hauen, wenn er etwas verriet. Dann kehrte er mit Christine und den beiden Männern in den ›Schwan‹ zurück.
    In den ersten Tagen des Juli 1798 fuhr Mathias mit Christine und seiner Tochter wieder nach Neuwied. Belz fragte nach Gertrud, er hatte Angst, dass sie ihrem Mann von der Nacht oben in der Kammer erzählt hätte. Christine antwortete knapp: »Sie ist auf und davon – mit einem französischen Offizier.«
    Der Wirt war erleichtert. Er ließ Gertruds Zimmer für Christine herrichten. Sie übernahm Kleider und Schmuck der Toten. Mathias war bereits in der Neußer Furt klar geworden, dass Christine keine Mutter für seine Tochter sein würde. Er verhandelte mit Belz und bot ihm zweihundert Reichstaler im Jahr. Der Wirt verpflichtete sich dafür, das Kind zu versorgen und es gut zu erziehen. Ursula war jetzt eineinhalb Jahre alt.
    Mathias musste eine neue Bande zusammenstellen. Belz unterstützte ihn. Er verbreitete die Nachricht von der Rückkehr des Räuberoffiziers in den Schlupfwinkeln der Gegend. Auch dem großen, schwarzbärtigen Mann, der sich als Johann Müller bei ihm eingemietet hatte, berichtete er: »Jetzt ist der Fetzer wieder da. Er ist der größte und gefährlichste Offizier in Neuwied. Wenn du was taugst, dann meid dich bei ihm.«
    Der Straßburger lachte ihn aus. »Ich bin selbst ein Offizier. Aber bei Gelegenheit sehe ich mir den Fetzer mal an.«
    Belz erzählte Mathias von Johann Müller. Mathias gab ihm den Auftrag, ihn genau zu beobachten. Im Schrankraum übersah er mit Absicht den Neuen.
    Er sprache leise mit den Männern, die kamen und sich bei ihm vorstellten. Er ließ jeden über seine Herkunft berichten. Die meisten waren Deserteure, arme Rotgerber, Scherenschleifer und Tagelöhner, oder es waren Bauern, die Pacht und Steuern nicht mehr bezahlen konnten. Wenn Mathias einen Mann für geeignet hielt, schickte er ihn zur Witwe Baums ins Quartier. Die Leute, die er nicht brauchen konnte, vertröstete er auf eine andere Gelegenheit. Belz musste jedes Mal

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