Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
seinem anderen Bein aufband und wie erneut Geld in die Kanne klatschte. Die Milch war wieder bis zum Rand gestiegen. Mathias wuchtete den Behälter auf den Wagen. Jetzt hob er den Sack aus dem Gras, öffnete ihn und versenkte die vier Dukatenbeutel in die Milch der anderen Kannen. Er seufzte zufrieden und zog das Mädchen am Arm auf die Kutschbank. »Du bekommst noch fünf Taler, wenn wir sicher in Köln angekommen sind.« Er schnalzte mit der Zunge und trieb das Pferd an.
Am Mittag des 29. Oktober erreichten sie ungehindert das Eigelsteintor. Sie waren an vier Kontrollen der französischen Zollsoldaten vorbeigefahren. Die Soldaten hatten sie durch ungeduldiges Winken angetrieben, schneller zu fahren. Mathias hielt an einer geschützten Stelle in den Weingärten an. Er ließ das Mädchen bei einem Korbflechter einen Tragekorb für sein Geld besorgen, gab ihr noch fünf Taler und ermahnte sie: »Wenn du das Geld jemandem zeigst, sperren sie dich ins Gefängnis. Gib es langsam aus!« Die Kleine nickte und starrte ungläubig auf den Reichtum in ihrer Hand.
Mathias verschwand in Richtung St. Gereon. Er mietete sich in einer kleinen Herberge in der Benesisstraße ein. Hier zwischen Bettlerhäusern und Seilereien hatte er keine Angst, entdeckt zu werden. Er wollte nicht zur Düwels Trück gehen, weil er sicher war, dass der Straßburger mit den beiden anderen Offizieren dort absteigen würde.
Mathias stopfte die Hälfte der losen Münzen in die Hosentaschen und ging zu einem Geldwechsler. Bei ihm tauschte er die kleinen Münzen gegen einige Sonnenpistolen um. Der Geldwechsler fragte nicht, woher das Geld kam. Er verdiente bei dem Umtausch mehr, als wenn er den französischen Soldaten Francs in Taler umwechseln musste. Als Mathias zum zweitenmal und auch für den Rest seiner Münzen Goldstücke kaufte, raunte der Geldwechsler ihm zu: »Heute Mittag sind alle Bordelle durchsucht worden. Sie haben viele verhaftet.«
Mathias verließ wortlos die Wechselstube. Er kaufte bei einem Trödler eine lederne Kniehose und eine dicke blaue Jacke. Er schloss sich in seinem Zimmer ein und zählte sein Vermögen. Sie hatten umgerechnet eintausendsiebenhundert Goldgulden in der letzten Nacht erbeutet. Er legte sein Geld unter die Matratze und schlief erschöpft auf seinem Lager ein.
Der Postraub versetzte die Behörden auf der deutschen und später auch auf der französischen Rheinseite in höchste Alarmbereitschaft. Die Fischer aus Hitdorf meldeten sich, sobald sie von dem Überfall gehört hatten, und sagten aus, dass die Bande noch in der Nacht über den Rhein gefahren sei. Der Schultheiß Hutmacher schickte einen Boten nach Köln zum Polizeikommissar Schöning, der eine Gelegenheit sah, um dem allwissenden Anton Keil endlich beweisen zu können, wer hier in Köln der tüchtigere Beamte war. Nur mit dem Friedensrichter Kramer besprach er sich und führte noch am Dienstag, den 30. Oktober, eine Razzia in allen Bordellen durch. Viele verdächtige Personen wurden festgenommen. Bei der Düwels Trück verhaftete er zwei Männer, die gerade durch die Hintertür verschwinden wollten. Der eine wies sich mit einem Passierschein für die ›Fliegende Brücke‹ aus, auf dem er als Johann Müller, Händler aus Wetzlar, eingetragen war. Der andere beteuerte immer wieder, dass er ein angesehener Bürger aus Mainz sei. Durch keine Erklärung ließ sich Polizeikommissar Schöning davon abbringen, die beiden vorläufig in Gewahrsam zu nehmen. Darüber wurde der öffentliche Ankläger nicht sofort informiert.
Bereits am Nachmittag erschienen vor dem Friedensrichter Kramer zwei Mädchen aus dem Bordell in der Schwalbengasse. Die Düwels Trück hatte sie selbst geschickt, weil sie einer Schließung ihres Bordells zuvorkommen wollte. Marianne de Antoni und Marianne Lorschied legten vorsichtig zwei Pistolen auf den Tisch. »Die haben wir unterm Kopfkissen von dem Müller gefunden.«
Jetzt holte Polizeikommissar Schöning auch die alte Magd des Bordells zum Verhör. Sie erklärte, der Müller habe am vergangenen Freitag, als er das Haus verließ, keinen Stuber mehr besessen. Keifend sagte sie: »Gestern Mittag kam der Maschoker aus Deutz. Ich hab gehört, wie er dem Müller vorgejammert hat, dass er sein ganzes Geld in der Spielhölle verloren hat. Da hat ihm der Müller vierzig Louisdors geschenkt.« Diese Zeugenaussagen reichten dem Friedensrichter, um den Straßburger unter dringendem Raubverdacht in das Gefängnis im ›Kölner Hof‹
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