Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
gefährlich, bei jeder Neigung schwappten Wellen in das Boot. »Haltet still!«, schrie Mathias.
Das Wasser stand bereits kniehoch zwischen den Räubern. Der Bootsrand war bis auf die Wasseroberfläche gesunken. Immer wieder klatschten kalte Wellen auf die Männer. Sie umklammerten ihre Beute und blieben erstarrt stehen oder sitzen. Einige beteten laut zu den Heiligen, andere fluchten. Das Boot schwamm träge in der Strömung.
Mathias stocherte mit der Bootsstange im Wasser, aber er fand keinen Widerstand, um dem Kahn eine andere Richtung zu geben.
Bei Monheim fließt der Rhein in einer großen Biegung nach rechts. Der voll gelaufene Kahn glitt aus der Mitte des Stroms, drehte sich ein paarmal um sich selbst und wurde langsam an das Dormagener Ufer gespült. Die Männer stürzten aus dem Schiff Einige stolperten in das seichte Uferwasser und schleppten sich hustend und spuckend ans Land. In den letzten Nachtstunden war es kalt geworden, sie froren in ihren durchnässten Kleidern.
»Hier trennen wir uns!«, rief Johann. »Seht zu, dass ihr euch nicht schnappen lasst!« Die Kumpane verschwanden langsam im Morgennebel.
Auf der Uferböschung blieben nur die Offiziere zurück.
»Wir müssen unser Geld vergraben«, sagte der Straßburger. »Wenn einer von uns mit so viel Dukaten verhaftet wird, wissen sie gleich Bescheid.«
Schiemann Engländer und Zülcher Wilhelm waren einverstanden. »Wir holen es, wenn sich alle beruhigt haben«, sagte der Räuber aus Mainz.
Mathias schüttelte den Kopf »Ich vergrab mein Geld nicht.«
Johann schrie gereizt: »Du traust uns nicht!«
Mathias lachte: »Ich trau euch, aber wenn sie mich verhaften, dann können sie auch mein Geld haben. Bis dahin will ich es bei mir haben!«
Mit geballten Händen stand der Straßburger vor ihm. »Fetzer, du glaubst, wir betrügen dich. Gib es doch zu, du misstrauisches Schwein!«
Mathias erhob sich mühsam. Die Taler und Goldstücke in seiner nassen Hose hingen wie Klumpen über den Knien. Seine Stimme klang heiser: »Johann, ich trau dir doch. Aber ich will mein Geld bei mir haben!«
»Hau ab, Fetzer! Sonst prügel ich dich, dass du nicht mehr laufen kannst.«
Die beiden anderen Offiziere starrten feindselig. Mathias nahm seinen Sack mit den Dukatenbeuteln, er blickte den Freund noch einmal stumm an, drehte sich langsam um und stapfte in das angrenzende Feld. Hinter sich hörte er den Straßburger brüllen: »Fetzer, du bist ein hinterhältiger Zwerg!« Dann lachte er laut.
Mathias zitterte vor Kälte, Wut und Enttäuschung. Auf einer Wiese bei Fühlingen musste er sich zum ersten Mal ausruhen. Er hörte das Knarren von Wagenrädern, sprang auf und starrte angestrengt in die neblige Morgendämmerung. Ein Karren, gezogen von einem Pferd, kam langsam über den Weg. Mathias spannte die Pistole, dann erinnerte er sich, dass das Pulver im Wasser nass geworden war, und steckte die Waffe wieder in den Gürtel. Er zückte sein Messer. Jetzt war der Wagen auf seiner Höhe. »Halt!«
Ein erschreckter Schrei.
Mathias griff dem Pferd in die Trense.
Eine Frau saß auf dem zweirädrigen Karren. Hinter ihr klapperten Milchkannen. Mathias war mit zwei Sätzen neben ihr. Die Münzen in seiner Hose rasselten.
Er riss die Frau an den Händen von der Sitzbank. Sie fiel und klammerte sich an ihn. Mathias konnte sie nicht halten und stürzte mit ihr zu Boden. Die Frau versuchte, sich zu befreien. Er umklammerte sie fest. Er fühlte die kleinen Brüste, und als er ihr ins Gesicht sah, blickte er in die Augen eines verängstigten Mädchens. Mathias lachte, dann sagte er streng: »Wenn du genau tust, was ich sag, dann lass ich dich leben.«
Die Kleine nickte stumm.
»Wohin bringst du die Milchkannen?«
»Nach Köln«, kam die zaghafte Antwort.
»Wie viel bekommst du für die Milch?«
Das Mädchen hob einen Finger. »Vielleicht einen Taler«, flüsterte es. Mathias griff in seine Hose und holte einen preußischen Silbertaler heraus. »Hier, ich kauf deine Milch.«
Das Mädchen verstand nicht. Mathias drückte ihr das Geldstück in die Hand, stand auf, nahm eine Kanne und schüttete die Hälfte der Milch auf den Weg. Das Mädchen stand fassungslos daneben. Mathias stellte seinen Fuß über die Öffnung der Kanne und band vorsichtig den Strick los, der um seinen rechten Oberschenkel geschnürt war. Wie Hagelkörner schlugen die Münzen in die Milch, die noch in der Kanne war. Das Mädchen sah mit großen Augen, wie der kleine Fremde auch noch den Strick an
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