Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
Vom Netzwerk:
umbauen lassen, damit wir ein Untersuchungsgefängnis haben. Wenn wir einen Gefangenen gleich in das finsterste Loch werfen, wird er nie gestehen. Ich will, dass jeder menschlich behandelt wird. Bringen Sie den Johann Müller in den ›Kölner Hof‹ zurück!«
    Der Polizeikommissar schüttelte den Kopf »Der Friedensrichter hat ihn in den Frankenturm sperren lassen. Ich kann ihn jetzt nicht einfach in den ›Kölner Hof‹ überfuhren.«
    Anton Keil seufzte: »Gut, ich werde erst mit Richter Kramer sprechen und einen neuen Bescheid erwirken.«
    Mitte November wurde Johann Müller in den rechten Flügel des ›Kölner Hofes‹ gebracht. Man sperrte ihn zu zwei Männern, die auch unter dem dringenden Verdacht standen, bei dem Postraub dabei gewesen zu sein. Bei ihrer Verhaftung hatte man ungewöhnlich viel Geld in ihren Taschen gefunden. Sie taten so, als würden sie sich nicht kennen.
    Anton Keil ließ den Straßburger in sein Büro bringen. Er bot dem Gefangenen eine Zigarre an. Johann nahm sie und fragte lauernd: »Was ist? Warum bist du so freundlich? Was willst du?«
    Der öffentliche Ankläger lächelte: »Du sollst mir nur sagen, wer alles bei dem Überfall dabei war!«
    Johann Müller sog den Rauch der Zigarre tief ein und blies ihn an die Decke. »Ich weiß nichts von einem Überfall. Ich bin unschuldig. Die beiden Huren wollen mich mit den Pistolen nur reinlegen, weil ich zu wenig bezahlt habe. Aber ich zahle nie viel.«
    Der öffentliche Ankläger nahm ein Blatt aus einer Lade: »Hier habe ich die Beschreibung eines Räubers, der 1798 in Köln eine Porzellanfabrik ausgeraubt hat und von der Bürgerwehr überrascht wurde. Sie passt genau auf dich.« Der Straßburger starrte ihn an. Keil lächelte: »Du siehst, ich kenn dich schon länger.«
    »Mir kann man nichts beweisen. Mit dem Postraub hab ich nichts zu tun.«
    Anton Keil setzte sich an seinen Schreibtisch. »Ich kann dich auch nach Straßburg ausliefern. Dann musst du sechzehn Jahre auf die Galeere. Hier ist der Steckbrief, ich habe ihn vom Straßburger Gericht erhalten. Willst du mir immer noch nicht sagen, wer außer dir bei dem Überfall dabei war?«
    Johann schüttelte stumm den Kopf Die Zigarre war ihm ausgegangen. Anton Keil erhob sich. »Du hast ja viel Zeit, es dir zu überlegen.« Er gab dem Lohnwächter ein Zeichen, den Gefangenen abzuführen.
    Schiemann Engländer hielt sich immer noch in Köln verborgen. Solange der Straßburger im Gefängnis war, wagte er nicht, das vergrabene Geld zu holen. Er entschloss sich, für den Gefangenen einen Anwalt zu besorgen, der für viel Geld bereit war, alles für den Mandanten zu tun, auch, ihm zur Flucht zu verhelfen. Endlich erfuhr er von einem Bettleroberhaupt die Adresse des Advokaten Kalter. Er bezahlte die Auskunft mit einem Taler.
    Als Advokat Kalter hörte, dass der Verhaftete beschuldigt wurde, den Postraub verübt zu haben, war er sofort bereit, sich bei Gericht als Verteidiger des Beschuldigten zu melden. Er versprach, den Gefangenen in der Zelle aufzusuchen. Schiemann Engländer bot ihm hundert Dukaten, wenn Johann Müller schon vor dem Prozess aus dem Gefängnis herauskäme. Kalter horchte seinen Besucher aus, und schließlich erzählte ihm der Mainzer von dem Überfall. Er verriet, dass sie das Geld in einem Feld vergraben hätten. Der Zülcher Wilhelm sei gleich nach Krefeld, er und Johann Müller wären nach Köln gezogen. Wo das Geld genau vergraben war, wollte Schiemann Engländer nicht verraten.
    Am nächsten Tag ließ sich der Advokat von Friedensrichter Kramer als Anwalt des Johann Müller eintragen. Es gelang ihm, mit Hilfe eines Talers allein mit dem Gefangenen zu sprechen. Kalter schlug Johann ein Geschäft vor: »Sag mir, wo das Geld ist! Ich hole es nach Köln. Dann kaufe ich die Wächter, und du kannst entfliehen. Danach teilen wir das Geld in meinem Büro.« Der Straßburger wollte nicht mit dem Anwalt teilen. »Ich geb dir fünfhundert Dukaten.«
    Kalter schüttelte den Kopf »Ich bekomme die Hälfte, sonst werde ich dafür sorgen, dass sie dich hinrichten.«
    Johann Müller verriet das Versteck. Eine andere Fluchtmöglichkeit hatte er bisher nicht gefunden. Das Chlamony konnte er wegen der beiden anderen in der Zelle nicht benutzen.
    Bei seinem nächsten Besuch im Büro des Advokaten wurde Schiemann Engländer hinausgeworfen. »Ich lasse dich von der Bürgerwehr verhaften«, drohte ihm Kalter. Der Mainzer verließ Köln durch das Loch in der Stadtmauer bei St.   Gereon. Er

Weitere Kostenlose Bücher