Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
bringen zu lassen. Schiemann Engländer zeigte dem Richter einen Brief, der ihn als ehrbaren Mainzer Händler auswies. In seinen Taschen fand man keine verdächtigen Geldstücke. Der Polizeikommissar ließ ihn gegen Abend des 30. Oktober wieder frei.
Mathias versteckte die Goldstücke in der weichen Geldkatze und schnürte sich dann das pralle Fell um die Hüfte. In seinen neuen Kleidern verließ er am Nachmittag des 30. Oktober die Herberge in der Benesisstraße. In der Markmannsgasse sprang ein Mann aus einem Hauswinkel auf ihn zu. »Fetzer, du musst mir helfen, nach Deutz zu kommen.« Es war einer der vier Kumpane, die die Hunde getötet hatten. »Was soll ich machen, Fetzer? In Niehl haben mir zwei französische Zollsoldaten mein ganzes Geld weggenommen und mich davongejagt. Ich kann doch nicht zum Gericht gehen und sie anzeigen!« Mathias schob den Mann zur Seite, über die Schulter rief er ihm noch zu: »Geschieht dir ganz recht, du Idiot!« Mathias dachte noch an den Streit mit Johann. Wütend ging er auf die Anlegestelle zu. Ohne Schwierigkeiten gelangte er mit Hilfe des Passierscheins auf die Fähre. Am anderen Rheinufer umging er Deutz und wanderte nach Porz. Hier mietete er sich eine Extrapost und ließ sich nach Neuwied bringen.
Die kleine Ursula begrüßte ihren Vater mit großem Geschrei, und Christine zog ihn nach oben in die Kammer. »Wir sind reich«, sagte er leise. Er berichtete von dem Postwagen und schlief, noch während er erzählte, auf dem Bett seiner Frau ein.
Er verbarg das Geld in einer Mauernische der Kammer. Er nahm Christine das Versprechen ab, niemandem, auch Hilde nicht, das Versteck zu verraten. Während der nächsten Wochen blieb er Tag und Nacht mit seiner Frau zusammen.
Eines Morgens konnte Mathias sich kaum noch aus dem Bett erheben. Seine Leisten waren wieder geschwollen, noch stärker als sonst. Auch die erkrankten Hautstellen hatten sich ausgedehnt. An den Oberschenkeln und an der linken Halsseite bis zur Schulter hatten sich harte Geschwulste gebildet.
Mathias ging zum Bader von Neuwied und ließ sich wieder mit Quecksilber und Salbe behandeln. Nachdem der Heilkundige die Geschwüre betrachtet hatte, sagte er: »Ich glaube, das wirst du nicht mehr los.«
Mathias sah den Bader an. »Was heißt das?«
»Du hast die Lustseuche, ich bin mir ganz sicher.«
Mathias zuckte mit den Schultern.
Der Bader fragte: »Wie lange hast du schon diese Flecken auf der Haut?«
»Schon als ich ein Junge war, fing das an.« Mathias machte eine wegwischende Handbewegung.
»Dann schwellen dir jetzt ab und zu die Leisten?« Der Bader erklärte ihm, dass er die Krankheit wahrscheinlich schon seit der Geburt in sich trage.
»Egal.« Mathias lachte abgehackt. »Ich werd auch alt damit.«
Der Bader schüttelte den Kopf »Du, es wird noch schlimmer werden.«
Er verlangte einen Taler für die Behandlung. Mathias starrte den Mann lange an, dann bezahlte er zwei Taler und verließ pfeifend das Haus.
November 1799 – Januar 1800
Polizeikommissar Josef Schöning betrat, ohne anzuklopfen, das Zimmer des öffentlichen Anklägers. Anton Keil sah empört von seinem Schreibtisch auf. Schöning lachte und verkündete stolz, er habe den Posträuber Johann Müller bereits arretiert. Der öffentliche Ankläger fragte donnernd: »Sie haben eigenmächtig eine Verhaftung vorgenommen?«
Als Schöning noch berichtete, dass er eine Razzia in allen Bordellen durchgeführt habe, fuhr ihn Anton Keil an: »Glauben Sie etwa, nur ein einziger Räuber hat den Postwagen ausgeraubt? Das war eine ganze Bande! Ich wollte sie mit einem Schlag hier in Köln festsetzen.« Der öffentliche Ankläger zeigte mit der Spitze des Federkiels auf sein Gegenüber. »Und jetzt verhaften Sie einen einzigen Mann, und alle anderen sind gewarnt! Haben Sie wenigstens die ›Fliegende Brücke‹ von unseren Beamten überwachen lassen?«
Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Ich habe mich vorher mit Friedensrichter Kramer abgesprochen!«, verteidigte er sich.
»Wir müssen Zusammenarbeiten, nicht gegeneinander!«, sagte der öffentliche Ankläger eindringlich. »Nur dann sind wir den Verbrechern überlegen.«
Josef Schöning wandte sich zum Gehen.
»Wo ist der Gefangene?«, fragte Keil noch.
»Ich habe ihn inzwischen in den Frankenturm bringen lassen, in das dunkelste Loch.« Er öffnete die Tür.
Anton Keil ging dem Polizeikommissar nach und hielt ihn am Arm zurück. »Ich habe den rechten Flügel des ›Kölner Hofes‹
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