Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
von eintausendvierhundert Reichstalern.
Im März beschlossen die beiden Anführer, die nächsten Überfälle getrennt durchzuführen. Ein Schneider aus Köln hatte berichtet, dass die Behörden nach einem Räuberpaar suchten, der eine wurde als groß und schwarzhaarig beschrieben, der andere als klein und auffällig durch seinen spärlichen Haarwuchs.
Der Straßburger brach in der Nacht vom 21. auf den 22. März in Derschlag bei Bergneustadt ein. Er wurde durch einen Schuss aus kurzer Entfernung an der linken Hand verletzt. Die Kugel riss ihm den ganzen Handrücken auf und prellte die Fingerknochen. Die Brandspuren zogen sich bis zum Unterarm. Johann floh mit seinen Männern und trennte sich von ihnen, sobald die Verfolger außer Sicht waren. Er selbst flüchtete nach Deutz, wo er sich bei dem Bader Schuhmacher verbarg und die Wunde verbinden ließ.
Der Kriminalrichter Pollmann von Bergneustadt verfolgte schon am nächsten Tag die Spur des Räubers bis Deutz. Hier veranlasste er den Magistrat, bei allen Badern nach dem Verbrecher zu fahnden. Eine Stunde bevor die Soldaten kamen, um ihn zu verhaften, wurde Johann von einem Freund des Schuhmachers gewarnt und konnte entkommen. Er flüchtete mit einer Extrapost nach Neuwied.
Am Abend des 22. März verabredete Mathias mit einigen Kumpanen, einen Fassbinder in Wellersberg im Kreis Blankenberg zu überfallen. Sie brachen sofort auf Mathias war nicht gut zu Fuß und ließ sich und seine beiden Unterführer von einem Fischer mit dem Boot nach Hönningen bringen. Hier traf sich die Bande am verabredeten Ort. Es war eine stürmische und nasskalte Nacht. In strömendem Regen erreichten sie völlig durchfroren das Haus. Mathias stellte zwei Wachen auf dann stürmten sie. Ohne Gegenwehr wurden der Fassbinder und seine Familie gefesselt und geknebelt. Die Beute betrug dreißig Karolinen. Mathias stieg mit den Kumpanen in den Keller des Hauses. Hier hatte der Fassbinder einige Fuder besonders guten Wein gelagert. Sie tranken aus großen Holzhumpen, bis sie sich durch den Alkohol wieder von innen gewärmt fühlten. Sie brachten auch den beiden Wächtern zwei gefüllte Humpen nach draußen. In einer Waldhütte schliefen die Räuber bis tief in den Tag.
Am frühen Vormittag des 23. März erreichte Johann die Herberge des Belz. Seine linke Hand war geschwollen, und er konnte die Finger kaum noch bewegen. Hilde machte ihm einen neuen Verband, und Johann legte sich müde in die Kammer.
Der Richter von Bergneustadt ließ aus dem Bader das Fluchtziel des Räubers herausprügeln. In Neuwied forderte er die zuständige Polizei auf, den Gesuchten in der Herberge des Belz zu verhaften, und am frühen Nachmittag rissen die Beamten den Straßburger aus seinem Bett. Sie brachten ihn und seine Frau in Ketten nach Gummersbach.
Als Mathias gegen Abend zurückkam, erzählte ihm Christine vom Unglück des Freundes. »Ich glaub, mit uns allen nimmt es bald ein End, Christine.«
Spät in der Nacht klopfte Mathias an die Kammertür des Wirts. Er übergab ihm eintausend Taler. »Hier, das ist für fünf Jahre. Wenn ich mal nicht da bin oder im Gefängnis. Lass die Ursula nicht aus den Augen! Sie muss immer Schuhe haben und ’nen Mantel.«
Der Wirt nahm den Geldbeutel. »Solange meine Mutter lebt, Fetzer, wird’s dem Kind an nichts fehlen. Sie nimmt’s wie die eigene Tochter.«
Mathias legte sich neben Christine. »Mich fangen sie nicht so schnell. Mich hängen sie noch lange nicht.« Die Geschwüre an seiner linken Halsseite waren schon seit einigen Tagen aufgebrochen.
Am 24. März, dem ersten sonnigen Frühlingstag des Jahres 1800, fuhr in der Nähe von Büttgen ein Bauernbursche mit einem beladenen Mistkarren über das Feld des Sebastian Trotzenberg. Der anhaltende Regen der vergangenen Tage hatte die Erde aufgeweicht. Nur mühsam konnte das Pferd den Karren über das Feld ziehen. Plötzlich sackte das rechte Rad tief in den Ackerboden. Der Bauernbursche sprang vom Wagen. Es gelang ihm nur mit großer Anstrengung, das Rad an den Speichen aus dem Loch zu stemmen. Er fluchte über die Vertiefung im Boden. Da entdeckte er einen hellen Fleck, kniete sich nieder und schob mit den Händen die matschige Erde zur Seite. Er erstarrte. Er hatte die geblichenen Knochen eines Fußes freigelegt. Entsetzt sprang der Bursche auf und rannte zurück ins Dorf. »Ein Fuß! Eine Leiche!« Die Bewohner liefen zusammen, und der Bursche berichtete von seinem Fund. Die Bürgerwehr von Neuß wurde
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