Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
Kölver in Velbert, zogen die Männer nach Schwelm. Sie marschierten in kleinen Gruppen. Als die ersten drei Männer in dem verabredeten Gasthaus ankamen, wurden sie vom Wirt nach ihren Pässen gefragt. Sie boten dem Mann einen Silbertaler anstelle ihrer Pässe an. Der Wirt nahm das Geld und schickte einen Knecht zur Polizei. Die Beamten verhafteten die Männer im Schankraum des Gasthauses und brachten sie auf die Wachstation. Als sie in den Taschen der Fremden fast einhundert Taler fanden, sperrten sie die Männer in eine Zelle. Nacheinander nahmen sie in dem Gasthaus noch zehn Männer fest, die alle keine gültigen Reisepässe besaßen, dafür aber zusammen mehr als tausend Reichstaler in den Taschen hatten. Als die Nachricht von dem Velberter Überfall Schwelm erreichte, wurden die Inhaftierten einzeln verhört. Zwei der Männer wurden durch das Verhör so erschreckt, dass sie den Überfall eingestanden. Jetzt wurden alle nach Altena ins Gefängnis gebracht.
Mathias, Picard und Karl Schmitt konnten sich nach drei Tagen befreien. Sie hatten ein Loch in den Zellenboden gebrochen und sich dann in die Dunggrube abgeseilt. Von hier waren sie durch den stinkenden Kanal ins Freie gekrochen.
August – Oktober 1801
Sie stanken fürchterlich.
Die drei Räuber wanderten eine Woche lang durch die Wälder des Bergischen Landes. Weil sie so abgerissen waren, mussten sie jede Ortschaft umgehen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie konnten nur in der Dunkelheit marschieren und hatten weder eine Fackel noch eine Laterne. Sie zogen auf Feldern Rüben aus und stahlen sich Obst in der Nähe von Bauernhöfen. Für den Tag suchten sie sich zum Schlafen eine Höhle. Wenn sie keine fanden, legten sie sich in große Holunderbüsche und deckten sich mit abgerissenen Zweigen zu.
In der siebten Nacht erreichten sie Deutz. Zwei Stunden nach Mitternacht klopften sie an die Hintertür der Herberge des Mathes Spielmanns. Der Wirt erkannte die zerlumpten Männer nicht und wollte die Tür wieder zuwerfen. Mathias stellte seinen Stiefel dazwischen. »Wir sind es. Deine vornehmen Freunde!«
Mathes Spielmanns brachte die völlig erschöpften und stinkenden Männer in den Stall. »Jede Woche wird das Haus von Soldaten kontrolliert«, entschuldigte er sich. Als der Wirt erfuhr, dass die drei Räuber keinen Stuber mehr besaßen, schüttelte er den Kopf »Ihr müsst morgen wieder verschwinden. Es ist mir zu gefährlich. Wenn sie euch hier finden, komm ich auch ins Gefängnis.« Mathias ging auf ihn zu und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. »Unsere Dukaten hast du genommen. Du hast nur von uns gelebt, du Schwein. Du besorgst uns neue Kleider und für jeden ein Messer.« Mathes Spielmanns hielt die Hände schützend vors Gesicht und nickte ängstlich.
Die Männer wuschen sich den verkrusteten Kot aus den Haaren. Sie aßen sich satt, kleideten sich mit den Hosen und Westen, die ihnen der Wirt gebracht hatte. Mathias ließ sich die Pfeife des Wirts geben und rauchte gierig die ersten Züge. Sie beratschlagten, wie sie wieder zu Geld kommen könnten. »Die Polizei und die Soldaten suchen uns überall«, sagte Mathias, »in Neuwied werden wir niemand mehr finden.«
Picard stöhnte. »Ohne Geld kann ich nicht nach Frankreich zurück.«
Karl Schmitt, der bei ihnen saß, hob die Hände. »Kein Hehler wird uns eine Pistole mehr geben, ohne dass wir sie vorher bezahlen. Ohne Waffen können wir keinen überfallen.«
Der Wirt kam in den Stall. »Ihr müsst weg. Vielleicht durchsuchen sie heute Nacht schon wieder das ganze Haus.« Mathes Spielmanns wollte die verarmten Banditen loswerden. »Geht doch nach Pützchen! Am Samstag fängt der große Jahrmarkt an.«
Die Räuber beschlossen, den Rat des Deutzer Wirts zu befolgen, und wanderten nach Pützchen. Mathias musste oft ausruhen, seine Leisten waren geschwollen, und bei jedem Schritt hatte er heftige Schmerzen. Sie erreichten den kleinen Ort am Freitag vor dem Jahrmarkt.
Pützchen war voll gestopft mit Händlern, Bauern, Fischern und vornehmen Herrschaften. In den Gassen schrien Scherenschleifer und Männer mit Bauchläden. In den Wirtsstuben drängten sich die Gäste. Arme Rheinfischer hatten ihre Wohnstuben zu Schankräumen gemacht und boten Branntwein und Brot an. Mathias schlich zu den vier Häusern, in denen er sich früher oft verborgen hatte. Die Bewohner ließen ihn nicht herein. »Alle Zimmer sind belegt. Die Soldaten kommen jeden Tag und fragen nach den Pässen.« Mathias, Picard
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