Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)
einer Erbschaft erwarte. »Das sagen die Händler auf dem Markt und die Soldaten am Tor«, schloss der Wirt.
Mathias drang in dieser Nacht wieder unbemerkt in das Nebengebäude des Schlosses ein. Er schlich zu der verriegelten Tür. Seine gefeilten Schlüssel passten genau. Kurz darauf stand er in der Rentkammer des Fürsten. Er tappte an einer langen Schiefertafel vorbei und fand drei große, eisenbeschlagene Truhen. Er hob sie nacheinander an und prüfte das Gewicht, sie waren nicht sehr schwer. Mathias ließ sie ungeöffnet. Er prägte sich genau die Position der Truhen ein, verließ den Raum und verschloss sorgfältig wieder die Tür der Schatzkammer. Auf dem Rückweg zur Scheune grinste er. »Noch eine Woche, dann bin ich reicher als der Fürst.«
Als Mathias in der nächsten Nacht wieder zu Belz schlich, standen Soldaten mit Fackeln vor dem Eingang. Er kehrte schnell in die Scheune zurück, und sie versteckten sich vorsorglich auf dem Heuboden. Am nächsten Morgen kam der Wirt selbst zum Hof des Bauern. »Der öffentliche Ankläger von Köln will durch alle Städte reisen und in den Gefängnissen und Wirtshäusern nach dem Karl Heckmann suchen. In der Nacht waren Soldaten bei mir, die haben jeden Gast nach dem Pass gefragt.«
»Verflucht! Gerade jetzt! Noch eine Woche!« Aber dann bat Mathias doch: »Belz, schick eine Nachricht nach Elberfeld zu Christine. Bestell ihr, dass ich in Eckardroth in der Ziegelei bin. Sie weiß dann schon Bescheid.«
Picard fühlte sich noch zu schwach. Mathias beschwor ihn: »Wir brauchen gültige Pässe, sonst kann uns jeder kleine, dreckige Polizist verhaften. Der Amtmann in Eckardroth wird uns welche verkaufen.«
Mathias schleuderte die fertigen Dietriche und den Hammer in die Jauchegrube des Bauernhofes. »Verflucht, dieser verdammte Keil! Mein armes Kind!«
Die drei Banditen mieteten sich mit ihrem letzten Geld eine Extrapost und fuhren ohne Aufenthalt bis nach Limburg. Von hier aus setzten sie zu Fuß den Weg nach Eckardroth fort.
Im Herbst 1801 ernannte der General-Commissaire Jean Bon St. André den Kölner öffentlichen Ankläger zum Leiter einer geheimen Kommission, die beauftragt war, alle in Frankreich gesuchten Banditen unerbittlich zu verfolgen. Der General-Commissaire hatte mit den deutschen Behörden eine Vereinbarung getroffen, dass der öffentliche Ankläger ungehindert durch deutsche Gefängnisse reisen durfte und von den Polizeistationen jede Unterstützung erhalten sollte.
Anton Keil plante seine große Rundreise für den Frühsommer des nächsten Jahres. »Ich werde erst den flüchtigen Karl Heckmann finden«, sagte er zu seinem Sekretär. Er schrieb Briefe an die Behörden der deutschen Grenzstädte und bat um genaue Kontrolle der Pässe in den Gasthäusern.
Der Stadthauptmann von Deutz bemühte sich noch immer, seinen schlechten Ruf zu verbessern. Er versuchte, den Kölner öffentlichen Ankläger in allem, was in seiner Macht stand, zu unterstützen. Von ihm stammte der Hinweis, dass im Mannheimer Stadtgefängnis drei gefährliche Banditen saßen. Anton Keil schrieb der Gefängnisleitung und fragte nach Karl Heckmann, dem Mörder des Wärters Hittorf, gleichzeitig bat er um eine genaue Beschreibung aller Häftlinge. Seine Anfrage nach dem flüchtigen Karl Heckmann wurde verneint. Der öffentliche Ankläger verglich aber alle Angaben über die Häftlinge mit seiner Kartei. Dabei fand er heraus, dass einer der Gefangenen wohl der gesuchte Mörder sein musste. Sein Name war mit Johann Esch angegeben, doch die Beschreibung passte auf Karl Heckmann. Eine andere Beschreibung glich dem gesuchten Adolph Weyers.
Der öffentliche Ankläger stellte einen Haftbefehl für die beiden Gefangenen aus und schickte Polizeikommissar Josef Schöning nach Mannheim. Er selbst arbeitete mit seinem Sekretär an den Vorbereitungen für die große Rundreise im kommenden Jahr.
10.–11. Januar 1802
»Sie haben uns alles weggenommen!« Christine standen die Tränen in den Augen. Hilde stampfte immer wieder mit dem Fuß auf. »Die ganze Ziegelei haben sie durchsucht. Alles haben die Schweine mitgenommen!«
Mathias, Johann Müller, Picard und vier Kumpane waren in den frühen Morgenstunden von einem Raubzug bei Saalmünster in die alte Ziegelei, eine halbe Stunde hinter Eckardroth, zurückgekehrt. Die Frauen berichteten wütend, wie am Vortag plötzlich sechs Husaren in das Haus gestürmt wären und jeden Winkel durchsucht hätten. »Sie haben mir die Bluse aufgerissen!
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