Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
Vom Netzwerk:
Marie-Provence
     noch in Maisons aufbewahrte. Für ein paar Stunden hatte sich Marie-Provence eine Sorglosigkeit gegönnt, die sie in bester
     Laune in die rue de Gaillon hatte zurückkehren lassen.
    «Ich hasse diese Frau jetzt schon», knurrte André. Er legte seine Hände auf ihre Brüste, was sie einen wohligen Laut ausstoßen
     ließ. «Sie hat einen äußerst verwerflichen Einfluss auf dich.»
    Marie-Provence lachte auf und durchwühlte das dunkle, lockige Haar, das André über die Stirn fiel. «Nicht verwerflicher als
     du, würde mein Vater sagen! Wer hat mich denn zur Sünderin gemacht?»
    Er hielt inne. «Du weißt, dass ich nur auf ein Zeichen von dir warte, Marie! Dass ich dich auf der Stelle zu meiner   …»
    Sie erstickte seine Worte unter ihren Lippen, zog dann lächelnd an seinem Arm. «Komm, mon amour, wir sollten uns jetzt hinlegen.
     Ich muss morgen früh raus, und wir haben doch bestimmt noch etwas vor   …»
     
    Am nächsten Tag, als er ihr dabei zusah, wie sie in ihr alltägliches blaues Kleid schlüpfte, fragte er vorsichtig: «Du gehst
     heute in den Temple?»
    Marie-Provence nickte, nur mäßig überrascht, auch wenn sie keine Ahnung hatte, woher André das wusste. Ihr war schon länger
     aufgefallen, dass ihr Geliebter ein guter Beobachter war und über ein überdurchschnittliches Maß an Sensibilität verfügte
     – Charaktereigenschaften, dank derer er seinen Porträts und Skizzen eine Ausstrahlung verlieh, die ihn zu einem begabten Zeichner
     machten.
    Seit ihrem Streit an dem schrecklichen Tag, an dem sie verhaftet worden war, hatten sie nicht mehr über Charles |289| geredet, und das Thema stand trotz all der innigen Stunden, die sie in den letzten Wochen miteinander verbracht hatten, zwischen
     ihnen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie sich bückte, um ihren Saum zu heben und in ihre Schuhe zu schlüpfen.
    «Habe ich dir erzählt, dass es dort einen neuen Mann gibt?», plapperte sie. «Sein Name ist Laurent, und er stammt von Martinique.
     Barras hat ihm diesen Posten gegeben. Er ist ein Republikaner, aber   …» Sie drehte sich kurz zu André. «Er ist keiner dieser verbissenen, rachsüchtigen Revolutionäre, die über Leichen gehen.
     Er hat Mitgefühl. Und er liebt Blumen. Er hat mir erzählt, dass er einen Garten um sein Haus in der rue Folie-Méricourt hat,
     den er alleine bewirtschaftet.»
    André hob eine Braue. «Verheiratet?», fragte er.
    «Nein. Er teilt sich das Haus mit seiner Mutter und zwei Schwestern.» Spöttisch blinzelte sie ihn an. «Du wirst doch wohl
     nicht eifersüchtig sein?»
    Aber André ließ sich nicht ablenken. Er sah sie auf diese Art an, die sie unruhig machte. «Und wie geht es dem Kind?», fragte
     er.
    Sie antwortete ruhig, allerdings ohne aufzusehen, während sie die Schnallen ihrer Schuhe schloss. «Ein wenig besser. Seine
     Zelle ist gesäubert und vom Ungeziefer befreit worden, ein Teil der Fensterläden wurde entfernt. Er hat ein neues Bett bekommen
     – und sogar einen neuen Anzug. Und was das Wichtigste ist: Er wird ab und zu auf den Turm geführt. Zwar kann er dort nichts
     sehen außer dem Himmel, weil hohe Holzlatten angebracht worden sind, die den Blick nach unten verstellen, aber wenigstens
     kommt er an die frische Luft.»
    Marie-Provence schwieg. Das alles war richtig, doch es spiegelte nur einen Teil der Wahrheit. In Wirklichkeit machte sie sich
     Sorgen um Charles’ Gesundheit. Das Kind sprach den ganzen Tag kaum ein Wort und siechte in stumpfer Gleichgültigkeit dahin.
     Es war extrem schwach und litt unter den Geschwüren, die seinen Kopf bedeckten. Und selbst |290| wenn Laurent bei Charles blieb, während dieser seine einfachen Mahlzeiten zu sich nahm, und darauf achtete, dass die Zelle
     gesäubert und aufgeräumt wurde – die allermeiste Zeit des Tages blieb der Junge nach wie vor sich selbst und der tristen Einförmigkeit
     seines Gefängnisses überlassen.
    Jomart hatte es durchgesetzt, öfters kommen zu dürfen, um die empfindlichen verkrusteten Stellen am Kopf des Kindes zu baden
     und einzureiben, sodass sie sich nun alle zwei Tage sahen. Doch nie wurden sie mit dem Kind allein gelassen – Laurent und
     die Vertreter der commune hielten sich stets streng vorschriftsmäßig mit ihnen in der Zelle auf. Meistens musste sich Marie-Provence
     mit einer liebevollen Berührung, einem verstohlenen Händedruck oder einem warmen Lächeln begnügen, um Charles aufzumuntern,
     und nur selten gelang es ihr, ihm etwas

Weitere Kostenlose Bücher