Die Ballonfahrerin des Königs
heute in Kisten zusammengepackt. Bitte hol sie so schnell wie möglich ab.» Daraufhin kehrte er ihnen den Rücken
zu und ging ohne ein Wort des Abschieds davon.
«Und ich dachte schon, seine Manieren hätten sich gebessert! Was für ein Rüpel!», zürnte Marie-Provence. «Mir |314| ist nach wie vor unbegreiflich, weshalb du ihm einfach die Fabrik überlassen hast!»
«Es ist gut, wie es ist, Marie, glaub mir», erwiderte er ernst. «Das Problem ist nur, dass ich eine neue Unterkunft finden
muss. Ich brauche das Labor nicht nur für meine Experimente oder die Herstellung von Wasserstoff − ich habe dort auch gewohnt.»
Er hob die Brauen und fügte spöttisch hinzu: «Mars hat mich soeben auf die Straße geworfen, Liebes. Ich hoffe, dass ich die
Nacht bei dir verbringen kann.»
Eine muntere Stimme unterbrach ihr Gespräch. Thérésia näherte sich ihnen. Ein Mann begleitete sie. «Hier ist die Freundin,
von der ich Ihnen erzählt habe, Tallien, mon ami.» Thérésia Cabarrus drückte lächelnd den Arm des Mannes an ihrer Seite. «Marie-Provence
de Serdaine.»
«Ah, die berühmte Marianne!» Jean-Lambert Tallien musterte Marie-Provence neugierig. «Endlich lerne ich Sie kennen, Madame.
Mein ewiger Dank ist Ihnen sicher. Sie haben geholfen, mir das Teuerste zu erhalten, das ich im Leben habe.»
«Es war nichts als ein Stück altes Brot, Monsieur», wehrte Marie-Provence ab. Sie war überrascht, wie jung ihr Gegenüber war.
Um die fünfundzwanzig Jahre, so schätzte sie, mochte der Mann alt sein, der mit aller Härte in der Provinz die Schreckensherrschaft
der Jakobiner durchgesetzt hatte und der, um seine Geliebte zu retten, zum Sturz des Mannes beigetragen hatte, der bereits
als Diktator der Nation betrachtet worden war. Eine große Nase, humorlose Augen und ein kurzer lockiger Backenbart kennzeichneten
ein Gesicht, in dem Marie-Provence vergeblich nach Größe suchte. In der Beziehung zu Thérésia behielt er wahrscheinlich selten
die Oberhand. Sie stellte André vor, der höflich an ihrer Seite ausharrte.
«Ich kenne die Papeteries Levallois. Sie sind im alten Kloster der capucines untergebracht, nicht wahr?», fragte Tallien.
«Mit der Fabrik habe ich nichts mehr zu tun. Mein Bruder leitet sie», erklärte André.
|315| «Monsieur Levallois ist vor allem Physiker und Forscher, müssen Sie wissen», sprang Thérésia ein. «Sein Spezialgebiet ist
die Luftfahrt. Er sucht nach Förderern, und ich habe versprochen, dass wir ihm helfen werden. Ich kann doch mit Ihrer Unterstützung
rechnen, mein Lieber?»
Tallien warf sich in die Brust. «Aber selbstverständlich. Die Nation braucht Forscher, für die Glorie Frankreichs und das
Fortkommen der Menschheit.»
Marie-Provence kannte Andrés Aversion für hohle Worte und erwartete, wenn auch nicht eine Zurückweisung, so doch eine ironische
Antwort. Umso überraschter war sie, ihn mit großem Ernst nicken zu sehen.
«Genauso sehe ich das auch», pflichtete er Tallien bei. «Die Wissenschaften stehen im Dienste der Menschen. Sie sollen ihnen
das alltägliche Leben erleichtern. Maßeinheiten für Gewicht, Länge und Zeit festlegen, zum Beispiel, die den Handel vereinfachen.
Schnellere Transporte ermöglichen. Krankheiten besiegen und Hungersnöte vermeiden. Und die Nation wiederum ist verpflichtet,
die Forscher bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Nicht nur, indem sie einzelne Experimente finanziert», André ließ kurz ein
Lächeln erstrahlen, «sondern auch, indem sie Museen baut, um Neugier zu wecken und Wissen zu vermitteln, sowie Schulen, Universitäten
und Institute eröffnet, um Kindern Bildung zu verschaffen, die es ihnen überhaupt erst ermöglicht, Forscher zu werden.»
Marie-Provence betrachtete André mit großen Augen. Wenn er so wie jetzt sprach, durchdrungen von Überzeugung und Begeisterung,
empfand sie nicht nur tiefe Verbundenheit mit diesem Mann, sondern es überkam sie stets auch ein Gefühl der Trauer und der
Sehnsucht. Wie schön es wäre, gäbe es die Welt, die er sich ausmalt, dachte sie, doch leider sind es nur Visionen. Die Wahrheit
sah anders aus: Die Säuglinge in der maison de la couche verhungerten, weil der Staat kein Geld für die Ammen zur Verfügung
stellte, die Männer wurden barfuß in den Krieg geschickt, und im Westen des Landes, in der Vendée, massakrierte man zu Tausenden
die Frauen und Kinder der Aufständischen.
|316| Marie-Provence war nicht als Einzige von Andrés Worten
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