Die Ballonfahrerin des Königs
ihn aus der Bahn
geworfen. Sie war ihm fast unheimlich gewesen, diese junge Frau. Und weil er sie baldmöglichst hatte loswerden wollen, hatte
er die Beherrschung verloren und sein Ziel verpasst.
Ich werde sie abermals vor Gericht bringen und verurteilen lassen, schwor er sich. Und dann wird sie büßen, für ihre Eltern,
genau wie die anderen werden büßen müssen und |307| schon gebüßt haben, die danach streben, die alte Gesellschaft in all ihrer Abartigkeit wiederauferstehen zu lassen. Und ihren
Vater würde er dabei zusehen lassen. Er sollte erleben, was es bedeutete, am Tod seines eigenen Kindes Mitschuld zu tragen.
Und dabei würde er sterben, wie auch er, Croutignac, schon gestorben war. In diesem Wissen hatte er sich hier zurückgezogen:
um daran zu arbeiten.
Als ihm die Tragweite seiner Entdeckung aufgegangen war, war er zunächst zum Sicherheitsausschuss gerannt. Er hatte dargelegt,
dass die Republik Gefahr lief, ihre kostbarste Geisel zu verlieren: Die Serdaines waren Royalisten durch und durch, schon
Guy de Serdaine hatte versucht, Marie-Antoinette zu befreien, und seine Tochter war aus demselben Holz geschnitzt. Sie sah
den kleinen Capet, sie hatte einen Teil ihrer Kindheit mit ihm verbracht, sie plante seine Flucht! Doch der Idiot vor ihm
hatte nur verächtlich den Mund verzogen, durchblicken lassen, dass eine bedeutende Persönlichkeit ihre schützende Hand über
die Frau hielt, und ihm eine kalte Abfuhr erteilt.
Cédric hatte erst nicht glauben können, dass man derart borniert sein konnte, doch dann hatte er verstanden: Er selbst war
als Robespierres Gefolgsmann verschrien und nur deshalb dem Schafott entgangen, weil er angedeutet hatte, er habe für den
Fall seiner Verurteilung Akten beiseitegeschafft, in denen brisante Details über Mitglieder des Tribunals standen. Man hatte
ihn am Leben gelassen, aber er war verfemt. Keine günstigen Umstände, um sich Gehör zu verschaffen. Infolgedessen hatte er
es unterlassen, der Polizei ihren erneuten Einbruch bei ihm zu melden.
Sie hingegen …
Seit sie die Fête de l’Être Suprême überflogen hatte und daraufhin eine Karikatur über sie in Umlauf gebracht worden war,
galt Marie-Provence de Serdaine als Republikanerin. Wer auch immer auf die Idee gekommen war, ihr die Rolle der Marianne anzuhängen
– die Patientinnen der maison de la couche, also die ärmsten Frauen im Volk, liebten sie als solche und würden sie verteidigen.
Er hatte es selbst erlebt, |308| als die ständig nach Blut keifenden Frauen, die tagein, tagaus im Tribunalsaal saßen, bei dem Prozess zu ihren Gunsten interveniert
hatten. Und der Staat, der derzeit mit der Inflation kämpfte und Mühe hatte, den Groll der Hungernden in Schach zu halten,
war nicht darauf erpicht, den Zorn der Frauen auf sich zu ziehen und noch mehr Protestmärsche und Plünderungen zu provozieren.
Er musste sich also gedulden.
Noch vor ein paar Wochen hätte er eine Armee von Augen und Ohren engagiert, um Marie-Provence de Serdaine rund um die Uhr
zu bewachen. Doch Robespierre war gefallen, und Cédric verfügte nicht mehr über dieselben Mittel. Er war nun auf sich allein
gestellt, nur noch seine eigenen Augen und Ohren konnten ihm helfen – und die von Corbeau, seinem besten Mann, dessen Dienste
er sich gerade noch leisten konnte.
Die beiden Serdaines waren ihm einmal mehr entkommen. Er wusste nicht, weshalb sie in sein Haus eingedrungen waren, doch er
ahnte es. Und er ahnte noch mehr. Sie würden nicht lockerlassen. Er hatte ihre Pläne vereitelt, doch sie würden nach einem
anderen Weg suchen. Und dann würde er sie überführen. Seitdem überwachte er den Temple und die Zelle von Capet. Corbeau und
er lösten sich rund um die Uhr dabei ab. Er würde da sein, wenn sie etwas unternahmen.
Cédric machte einen letzten Haken und ließ die Liste sinken. Sein Blick fiel auf die Kristallvase, und er beruhigte sich etwas.
Immerhin hatte sie unberührt in einem der Kartons gelegen. Seine erste und größte Sorge war gewesen, dass Marie-Provence de
Serdaine bei ihrer Suche die Vase hätte beschädigen können. Doch der Behälter und sein Inhalt waren unversehrt. Er war erschöpft.
Morgen würde er sich mit der Auswertung der Ergebnisse beschäftigen. Jetzt war es Zeit, seine Haut zu beruhigen und sich ein
Ölbad bereiten zu lassen. Vorher aber musste er noch etwas regeln.
Marie-Provence de Serdaine war nicht ohne Hilfe ins Haus und an seine
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