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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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ging zu |444| ihrer Stute. Pips, ein älterer, aber kräftiger Mann, zog seinen Schlapphut tief über die Fülle seiner weißgrauen Rosshaare,
     die fahl im Mondlicht leuchteten. Er griff zu seinem Gewehr und beäugte sie misstrauisch.
    «Keine Sorge, ich laufe Ihnen nicht weg. Doch wenn ich hier schon warten muss, kann ich es mir wenigstens auf einem Pferderücken
     bequem machen», sagte Marie-Provence und stieg auf.
    Pips zuckte die Schultern. «Können Sie machen, wie Sie wollen. Wäre nur schade um das Tier, wenn ich es erschießen müsste.»
    Marie-Provence sah ihren Vater und seine Männer im gestreckten Galopp zum Strandabschnitt eilen, während die ersten Kähne
     bereits auf den Sand stießen. Es gab Bewegung unter den zum Kampf aufgestellten Republikanern. Ihr Herz schlug schnell vor
     Sorge.
    «Haben Sie denn keine Lust, da unten mitzumachen?»
    «Ich hab vor allem keine Lust, den capitaine in Rage zu bringen», gab Pips nüchtern zurück. «Wenn der wütend ist, wirft er
     einen glatt den Wölfen zum Fraß vor.»
    «Glauben Sie nicht, dass Sie etwas übertreiben?», fragte Marie-Provence kühl. «Mein Vater ist doch kein Unmensch.»
    «Normalerweise nicht. Doch wenn es um Sie geht, kennt der nichts.» Pips wiegte den Kopf hin und her. «Brauch bloß an diesen
     armen Teufel zu denken, den er vom Pferd geschubst hat, direkt in die Arme der Blauen.»
    «Was denn für ein Mann? Und was soll das mit mir zu tun haben?»
    «Na, Sie haben doch damals mit diesem Kerl den König befreit», antwortete Pips gleichmütig.
    Marie-Provence’ Herz setzte für einen Schlag aus.
    In dem Augenblick gaben die Republikaner ihre Stellung auf dem Strand von Carnac auf. Die Bajonette im Anschlag, zogen sie
     sich Schritt für Schritt zurück. Ein gewaltiger Jubelschrei war die Antwort der Gegner darauf.
    Im selben Moment ertönten aus dem Hinterland Schüsse, |445| die Blitze von Detonationen erhellten den Nachthimmel. Dort gaben sich die Republikaner also nicht so schnell geschlagen.
     Doch die Chouans von Cadoudal taten ihr Bestes, um den zurückgekehrten Auswanderern den Weg freizumachen.
    Männer in roten Uniformen quollen nun aus den anlandenden Kähnen, unter ihnen auch Dutzende von Geistlichen, die sich in ihren
     Soutanen um einen älteren Mann drängten, offensichtlich einen Bischof. Sie alle wurden mit Hochrufen von einer Truppe Chouans
     empfangen, die ihnen über den felsigen Strand entgegenströmte, begierig, ein Familienmitglied oder einen Freund willkommen
     zu heißen.
    Was für ein wundervoller Augenblick! Und doch konnte Marie-Provence ihn nicht genießen. Wie gebannt folgte ihr Blick ihrem
     Vater. Als Guy de Serdaine die Kähne erreichte, hob er den Arm zum Gruß, schoss aber weiter in Richtung der sich zurückziehenden
     Republikaner, den Säbel in der Hand. Marie-Provence musste schlucken. Wie stolz und unbesiegbar ihr Vater war!
    Nein, unmöglich. Sie wollte einfach nicht glauben, was Pips ihr soeben erzählt hatte. Ihre Hände krallten sich um die Zügel
     ihrer Stute.
Es ist nicht wahr. Es kann nicht stimmen, er ist ein ehrbarer Mann.
Sie hatte zu ihm aufgeblickt, so weit sie zurückdenken konnte. Sie hatte ihn stets verehrt und bedingungslos geliebt. Er war
     ihr Held! Und doch zweifelte sie nicht wirklich an Pips’ Worten. Diese stimmten zu sehr mit dem unguten Gefühl überein, das
     sie nach Andrés Verschwinden übermannt hatte. Sie hätte schreien wollen.
    Wie es André wohl ging? Wo befand er sich jetzt? Sie zwang sich, auch die nächste Frage zuzulassen: Ob er überhaupt noch am
     Leben war? Oder hatten sie ihn bereits auf die nächstbeste Guillotine geschleppt?
Er hat ihn direkt in die Arme der Blauen geworfen   …
Panik und Verzweiflung drohten sie zu überwältigen. Und was das Schlimmste war: Es gab nichts, gar nichts, was sie für André
     tun konnte. Falls er noch am Leben war, würde André sie bis ans Ende seiner |446| Tage verfluchen. Und zwar mit Recht. Wie konnte ihr Vater André das antun? Bitterkeit, Wut, tiefe Enttäuschung zerrissen ihr
     Herz. Gleichzeitig fühlte sie, wie ihr die Tränen kamen. Sie drängte sie mit Macht zurück. Sie würde ihren Vater später zur
     Rede stellen.
    In der Dunkelheit wimmelte es von Menschen. In dem Durcheinander war es kaum noch möglich zu erkennen, was los war. Indessen
     konzentrierten sich die Kämpfe in Carnac selbst offensichtlich auf den Hügel. Vermehrt leuchtete es von dort auf. Noch war
     nichts gewonnen.
    Marie-Provence sog

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