Die Ballonfahrerin des Königs
Steuern an. Ihr Vieh und ihre Ernte werden beschlagnahmt, ihre Häuser ausgeräumt. Und wenn ihre Männer Anführer sind, finden
regelrechte Hetzjagden auf die Familien statt. Sie werden eingesperrt, um die Männer zu erpressen. Die Alten und die Kinder
sterben dort zuerst, während die Blauen darauf warten, dass die Männer sich ergeben, um sich an die nächstbeste Mauer stellen
zu lassen.»
«Und trotz all dieser Gefahren schließen sich so viele Männer den Chouans an?»
«Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht ihnen Mut.» Der Mann warf Charles einen Blick zu. «Viele von uns waren anfänglich
für die Revolution. Am Wegfall der Abgaben an den Adel hatte keiner etwas auszusetzen. Doch erst kamen die neuen Steuern.
Die trugen einen anderen Namen, waren aber doppelt so hoch wie die alten.» Er lächelte. «Unsere alte Bretagne war verwöhnt,
wissen Sie: Unter dem alten Regime brauchten wir zum Beispiel keine Salzsteuer zu bezahlen. Jetzt aber heißt es, dass alle
Franzosen gleich und die uralten Verträge, nach denen sich alle Könige seit fünfzehnhundertzweiunddreißig gerichtet hatten,
nichtig seien.»
Er wurde wieder ernst. «Und dann kam der Krieg. Die Männer wurden zwangsrekrutiert, die jungen und kräftigen zuerst, und ins
Ausland geschickt. Noch so ein altes Privileg: Unsere Männer hatten bis dahin niemals außerhalb der Grenzen unserer Provinz
dienen müssen. Die Felder blieben folglich unbestellt. Nicht nur die Arbeiter fehlten, sondern auch das Vieh, um den Pflug
anzuspannen, weil es die Armee brauchte, und die Saat, die aus den Scheunen beschlagnahmt wurde, um die Truppen zu ernähren.
Das bisschen, was die Zurückgebliebenen noch ihrer Erde abringen konnten, mussten sie auf den Markt bringen. Doch sie durften |438| keine guten, klingenden Münzen als Bezahlung ihrer Waren entgegennehmen, sondern ihnen wurden assignats aufgezwungen, die
in kürzester Zeit nur noch halb so viel wert waren.»
Der Mann holte tief Luft und fuhr dann mit bewegter Stimme fort: «Trotzdem hätte all das vielleicht nicht zum Aufstand geführt,
wenn sie uns unseren Glauben gelassen hätten.» Er suchte ihren Blick. «Unsere Priester sind uns wichtig, Madame. Die Bauern
hier leben isoliert, weit voneinander entfernt, es gibt nur wenige Ortschaften. Unsere Priester sind es, die uns zusammenhalten,
bei den Messen treffen wir uns; die Geistlichen sind die Überbringer von Nachrichten, und oft bieten die kirchlichen Feiern,
die Heiraten und Taufen die einzige Zerstreuung im Jahr. Das aber fiel alles plötzlich weg. Die Priester wurden verfolgt,
huschten fortan als Bettler verkleidet von Haus zu Haus, die Kirchen wurden geschlossen, die Glocken eingeschmolzen. Als Trost
dafür bot man uns die Grundstücke und Ländereien der Kirche zum Kauf an. Doch glauben Sie etwa, die kleinen Bauern hätten
die Weiden und Wälder bekommen? Nein, die reichen Bürgerlichen sind es, die Städter, die sich alles unter den Nagel gerissen
haben.» Als er nach einer Pause weitersprach, schwang Entschlossenheit und Stolz in seiner Stimme mit: «Darum stehen wir heute
da, mit unserem Vieh, unseren Sensen und Nachttöpfen, unserer Sturheit und unseren Herzen, die nur für einen schlagen: unseren
König.» Er blickte auf Charles. «Möge er uns unsere Dickköpfigkeit verzeihen und unsere Ergebenheit erkennen.»
Auch Marie-Provence sah auf das Kind hinab. Dieses hatte dem Mann ganz offensichtlich aufmerksam zugehört. Als es jedoch nichts
sagte, ergriff Marie-Provence das Wort. Obwohl sie bereits ahnte, wer vor ihr stand, meinte sie: «Ich bin mir sicher, dass
der König Ihre Qualitäten und Ihre Treue zu würdigen weiß, Monsieur. Doch wollen Sie uns nicht Ihren Namen verraten, damit
wir wissen, wem wir zu danken haben?»
«Meine Männer nennen mich Gédéon, Madame. Getauft von meinen Eltern wurde ich Georges. Und wer auf mich |439| schimpft, spricht meist vom verflixten Cadoudal vom
Bro an Alre
, wie die Gegend, aus der ich komme, in unserer Sprache heißt.»
Marie-Provence musste lachen. Da stand er also, der Mann, der schon eine Legende war, der gebildete Sohn einer wohlhabenden
Bauernfamilie, von dem gesagt wurde, dass seine Männer ihn vergötterten. Sie reichte dem Anführer der Chouans die Hand. «Sehr
erfreut, Monsieur. Marie-Provence de Serdaine.»
«Ich weiß. Ich hatte gerade die Ehre, Ihren Vater kennenzulernen. Er wies mir den Weg hierher.»
«Marie?»
Sie wandte sich dem
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