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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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unwillkürlich die Luft ein.
    «Es stinkt nach Pulver», nickte Pips.
    Marie-Provence dachte mit zwiespältigen Gefühlen an ihren Vater, bangte um ihn, trotz dem, was sie gerade erfahren hatte.
     Derweil schifften sich unten weitere Soldaten aus. Die Stunden zogen sich quälend langsam dahin. Dann, endlich, deutete Pips
     plötzlich nach vorn.
    «Die weiße Fahne!» Er grinste breit. «Carnac gehört uns!»
    Marie-Provence verstand zuerst nicht, was der Mann meinte. Doch dann erkannte sie, dass auf der Fahnenstange des Hügels die
     Trikolore einem weißen Tuch Platz gemacht hatte, das wie ein verknotetes Männerhemd aussah. Und tatsächlich – nach einer Zeit,
     die Marie-Provence wie eine Ewigkeit vorkam, in Wirklichkeit aber kaum mehr als eine halbe Stunde gewesen sein konnte − erschienen
     noch mehr Chouans vom Landesinneren. Erst eine Handvoll, dann Dutzende, Hunderte. Lauthals singend und Jubelrufe ausstoßend
     ergossen sie sich auf den Strand und mischten sich unter Freunde und Soldaten.
    «Vater!» Marie-Provence gab ihrem Pferd die Sporen und galoppierte zum Strand hinunter. Sie war nicht die Einzige, die diesen
     Weg einschlug. Schon bald traf sie auf die ersten Frauen und Kinder, die zu ihren Männern strebten, um ihnen zu gratulieren.
     Ein einziges jubelndes, buntes Menschenmeer wogte zwischen den Felsen hin und her. Marie-Provence hielt inne, als sie ihren
     Vater erblickte. Doch Guy übersah ihre Zurückhaltung. Er rannte ihr entgegen und |447| wirbelte sie lachend herum. Das bunte, fröhliche Durcheinander war unbeschreiblich. Nach wie vor landeten die flachen Kähne,
     Neuankömmlinge wurden von singenden Chouans empfangen, makellose rote Uniformen vermengten sich mit zerlumpten Gestalten,
     Tausende von Menschen gratulierten sich und feierten Brüderschaft.
    «Wo ist Artois?», fragte Marie-Provence und sah sich nach allen Seiten um. Ihr Blick fiel auf einen Offizier. Sein Regiment
     stand Gewehr bei Fuß; es war das einzige, das sich nicht der allgemeinen Freude hingab. Hochmütig stand der Kommandant daneben
     und blickte an seinem schmalen Nasengrat hinunter.
    «Nein, das ist er nicht.» Ihr Vater hatte ihren Blick bemerkt. «Dieser Mann ist Graf Hervilly, ein exzellenter Offizier. Ich
     kenne ihn aus Amerika.»
    «Gott sei Dank. Selten habe ich einen Mann so steif dastehen sehen.»
    «Er und Graf Puisaye befehligen die Manöver hier, während seine Exzellenz, Bischof Hercé, der dort drüben steht, die geistige
     Leitung übernommen hat.»
    «Hervilly und Puisaye – gleich zwei Befehlshaber?», fragte Marie-Provence überrascht. «Und was ist mit Artois?»
    «Ich konnte ihn noch nirgends entdecken.» Guy de Serdaine nahm sie beim Ellenbogen. «Komm, ich werde dich vorstellen.»
    Hervilly war das Ebenbild eines Aristokraten und Marie-Provence dennoch auf der Stelle unsympathisch.
    «Es ist mir eine große Ehre, Sie kennenzulernen, Mademoiselle», sagte der Offizier mit unbewegter Miene. «Der Ruhm Ihrer Taten
     drang bis ins ferne England.» Er deutete einen Kuss über ihrem Handrücken an und machte eine elegante, wenn auch steife Verbeugung,
     der ihr einen Blick auf seine ondulierte weiße Perücke preisgab. «Der König ist erkrankt, habe ich gehört? Hoffentlich nichts
     Ernstes?»
    «Der König hat die Strapazen der letzten Monate mit bemerkenswerter Bravour überstanden, Oberst. Sie werden sich davon selbst
     überzeugen können, wenn ich Sie und seinen |448| Onkel, den Herzog von Artois, zu ihm   …» Ein heftiger Knall unterbrach sie. Die drei drehten sich um.
    Neben den flachen Barken waren inzwischen auch Schaluppen in Strandnähe gekommen, die mit Gewehren und Kanonen beladen waren.
     Kinder, Frauen und Männer drangen bis auf Hüfthöhe ins Wasser, um tatkräftig mitzuhelfen, die Schiffe an Land zu ziehen und
     die Fracht zu bergen. Mit rauen Schreien des Entzückens stürzten sich nun die Chouans auf die Holzkisten, hebelten sie auf
     und warfen ihren Kumpanen die darin beförderten Gewehre zu. Diese wurden alsbald geladen und probeweise abgefeuert.
    Hervilly wurde wachsbleich. «Hört auf der Stelle mit diesem Unsinn auf!», blaffte er. «Die Gewehre sind Eigentum der königlichen
     Armee! Leutnant, gehen Sie hin und sammeln Sie die Waffen wieder ein!»
    Der Unteroffizier versuchte sein Bestes, doch die wilden Chouans, die weißen Abzeichen auf der Brust und den Übermut des Glücks
     auf den schmutzigen Gesichtern, wiesen sie derb zurück und dachten nicht daran, ihnen zu

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