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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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fassungslos.
    Der Chouan mit der Kopfbinde spuckte auf den Boden. «Stimmt», bestätigte er. «Hervilly hat es befohlen. Er hat verkündet,
     die Post aus England in Quiberon abwarten zu wollen.»
    «Dieses Schwein!», schrie jemand, außer sich vor Wut.
    Cadoudal brüllte. «Das Meer hätte diese Monster verschlingen sollen, bevor sie in Quiberon aufkreuzten! Sie sind nur gekommen,
     um uns ins Verderben zu stürzen! Was ist mit unseren Familien?»
    «Sie waren nicht aufzuhalten. Was sollten sie auch tun?» Der verletzte Chouan schüttelte den Kopf.
    |492| «In welche Richtung ziehen sie?», fragte Cadoudal ahnungsvoll.
    «Seit Tagen treffen bei uns Meldungen über Gräueltaten der Blauen ein. Sie morden, plündern und vergewaltigen in den Dörfern,
     die sich auf unsere Seite geschlagen hatten und nun wieder von den Republikanern eingenommen worden sind. Man kann den Frauen
     nicht vorwerfen, dass sie das nicht erleben wollen. Sie ziehen mit den Männern mit.» Leiser fügte der Chouan hinzu: «Nach
     Quiberon.»
    Marie-Provence wurde heiß. Sie dachte an die höchstens zweihundert Meter breite Landzunge, die Halbinsel und Festland miteinander
     verband, und an die Tausenden von Menschen, die sich mitsamt ihren Tieren und Wagen darauf zubewegten. Wenn es den Chouans
     nicht gelang, ihnen den Rücken freizuhalten   …
    «Mein Gott», murmelte Cadoudal. Doch dann strafften sich seine mächtigen Schultern. Er hob einen Arm. «Zum Jammern haben wir
     später noch Zeit. Auf, Männer, unsere Familien brauchen uns jetzt!»
     
    «Versuchen Sie, nach Quiberon zu kommen, Madame. Nehmen Sie einen meiner Männer zur Begleitung mit. Hier stehen Sie, mit Verlaub,
     nur im Weg. Ich kann nicht für Ihre Sicherheit garantieren.» Cadoudal wandte sich von Marie-Provence ab und erteilte seinen
     Leuten Befehle.
    Marie-Provence nahm ihm seine Schroffheit nicht übel. Sie trat aus der Kapelle von Sainte-Barbe in die windig graue Außenwelt
     und sah sich suchend um. Bevor sie sich auf den Weg machen konnte, hatte sie noch etwas zu erledigen.
    Das strategisch wichtige Dorf Sainte-Barbe lag nördlich der Halbinsel Quiberon und bewachte gewissermaßen den Zufahrtsweg
     zu ihr. Die zweihundert Jahre alte Kapelle des Dorfes war auf dem höchsten Punkt der Hügellandschaft gebaut und umwuchert
     von duftenden Wicken, Weidenschösslingen und zwergwüchsigen Pappeln. Das verwitterte Gebäude bot einen guten Blick auf die
     Umgebung. Zwei von Cadoudals Spähern hatten den gedrungenen Glockenturm |493| erklommen, doch auch von ihrem Standpunkt aus sah Marie-Provence die beißenden Rauchwolken, die im Osten aufstiegen. Sie erschauerte.
     Inzwischen war klar, dass die Royalisten auch Carnac verlieren würden, und sie war sich sicher, dass das dumpfe Grollen der
     Kanonen näher rückte.
    Zu Marie-Provence’ Rechten, westlich von Quiberon und keine zweitausend Schritte von Sainte-Barbe entfernt, erstreckte sich
     die gewaltige Masse des Atlantiks, wie so oft weiß gekrönt und ruhelos. Der einzige Trost, den der Ozean bot, waren zwei englische
     Kriegsschiffe, die auf ihm Wache hielten. Sie waren ein Bruchteil jener Flotte, die ständig um Quiberon patrouillierte und
     die Royalisten vom Meer her absicherte. Allerdings lagen die beiden Schiffe in zu großer Entfernung, um durch Kanonenbeschuss
     eine wirkliche Hilfe zu sein.
    Auf der anderen Seite der Halbinsel öffnete sich die Bucht von Plouharnel. An ihrer Mündung schützten Felsen den weichen Grund
     vom offenen Meer. Jetzt, bei Ebbe, lag die Bucht größtenteils trocken, nur ab und an durchzog sie ein Siel. Tangknäuel, die
     die Flut zurückgelassen hatte, bildeten glänzende Inseln, Myriaden von winzigen Fliegen umschwirrten sie. Sonst als Dünger
     begehrt, waren die Algen heute nur Hindernisse, die sich um die unzähligen Waden und Räder wickelten, die über sie hinwegzogen.
    Marie-Provence’ Blick wurde von dem dramatischen Schauspiel zu ihren Füßen unweigerlich angezogen. Tausende von hastig dahinziehenden
     Menschen durchpflügten die Bucht. Frauen zerrten ihre Kinder mit sich, humpelnde Greise hielten sich an den Wagen fest. Mehr
     als vierzig Karren quälten sich über den weichen Boden, Kornsäcke, Kleidung und Kisten stapelten sich auf ihnen. Ziegen und
     Schafe galoppierten ziellos durcheinander.
    «Wir müssen los, Cadoudal! Die Blauen rücken näher.» Ein Befehlshaber der Chouans sprang von seinem schweißnassen Pferd. «Wenn
     wir noch länger warten, sieht es

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