Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
Vom Netzwerk:
Kameraden vor einer Ewigkeit, wie ihm schien,
     das Fort erstürmt hatten.
    «Nichts tun ist auch eine Form des Verrats, Levallois», sprach ihn dieser zum ersten Mal an.
    «Ich soll ein Verräter sein? Wie kommen Sie darauf?»
    «Mir ist Ihre Vorgeschichte bekannt, Levallois, und ich wurde gebeten, Sie genau im Auge zu behalten. Wer wie Sie eine Frau
     rettet, obwohl sie dem gegnerischen Lager angehört, mag dieser nur verfallen sein. Wer einen Fremden nicht tötet, der ihn
     anvisiert, nur ein Feigling. Doch wer eine ganze Nacht hindurch immer wieder über die Köpfe der Feinde zielt, ist ein Verräter.»
    ***
    Marie-Provence, ihr Vater sowie seine Männer hasteten über den Strand. Es war ein mühsames, kräftezehrendes Vorankommen, erschwert
     nicht nur durch den weichen Sand, sondern auch durch die Felsengruppen und das Schwemmgut, das das ablaufende Wasser zurückließ.
    Marie-Provence atmete hektisch. Seit sie ihre Behausung verlassen hatten, wurde sie immer stärker von einem Gefühl der Unwirklichkeit
     beherrscht. Sie fühlte sich leer, gleichzeitig lehnte sich etwas in ihr gegen diese Flucht auf. Sie treiben uns vor sich her
     wie die Hasen, sie werfen uns hinaus. Aber dies ist mein Land, ich will hier nicht weg!, schrie es in ihr. Doch dann spürte
     sie wieder den unerbittlichen Griff ihres Vaters, ein Griff, der sagte, dass sie keine Wahl hatte.
    |544| Was hätten sie auch anderes tun sollen als flüchten? Die republikanische Armee war ihnen dicht auf den Fersen. Der Hafen von
     Haliguen, durch den sie vorhin geeilt waren, war inzwischen von den Blauen eingenommen worden, die Explosionen in ihrem Rücken
     hatten es ihnen gemeldet.
    «Dort sind sie!» Pips stieß einen schrillen Pfiff aus. Sofort machten sich drei Gestalten bemerkbar, die zwischen die Felsen
     gekauert auf sie gewartet hatten.
    «Wo ist das Boot?», fragte Marie-Provence.
    Doch schon liefen Guys Männer zu einer Stelle, die sie in Windeseile von Steinen und Algen befreiten. Eine kleine Barke mit
     drei Paar Rudern kam zum Vorschein. Marie-Provence dachte an all die Flüchtlinge, die im Hafen von Haliguen verzweifelt nach
     einem Boot gesucht hatten.
    «Damit hätten in der Zwischenzeit viele Menschenleben gerettet werden können!», stieß sie aus, während Pips und seine vier
     Kameraden die Barke in die Fluten schleppten.
    «Deine Naivität und dein Undank sind manchmal wirklich haarsträubend, Marie», erwiderte ihr Vater. «Hätten wir die Barke freigegeben,
     dann wäre sie jetzt weg, und wir wären verloren!» Er zerrte sie ins Meer. «Komm, jetzt!»
    «Ich kann nicht schwimmen!», rief Marie-Provence. Doch es war nur ein Vorwand. Sie blieb stehen. Etwas in ihr weigerte sich,
     an Bord dieses Bootes zu gehen.
    «Das brauchst du auch nicht, die Barke ist noch nahe genug am Ufer», antwortete ihr Vater. «Halt dich einfach an mir fest!»
     Er warf einen Blick zurück – und fluchte. «Verflixt, da kommen sie! Schnell, Marie, beeil dich!»
    In der Tat erschien jetzt eine Vielzahl von Punkten am Strand. Blaue Punkte in geordneten Reihen, zwischen ihnen ein Strom
     Zivilisten.
    Marie-Provence’ Magen verkrampfte sich vor Angst. Sie sprang ihrem Vater hinterher. Wie eisig das Wasser war! Und wie hoch
     die Wellen! Die Fluten sogen an ihr mit unglaublicher Kraft. Sie krallte sich am Arm ihres Vaters fest. Auf dem Strandabschnitt,
     der hinter ihnen lag, näherten sich die Feinde.
    |545| «Es ist ein Gefangenenzug», rief Pips.
    Er und seine acht Kameraden waren schon an Bord. Es herrschte Ebbe, und sie ruderten gegen den Strom an, der sie vom Land
     wegtrieb. Marie-Provence keuchte. Das eiskalte Wasser reichte ihr bis zu den Schultern. Nur noch ein paar Meter   … Immer wieder sah sie sich um, halb fasziniert, halb gelähmt von den blauen Uniformen, die sich über den Strand ergossen.
     Noch nie war sie dem Feind so nahe gewesen.
    Ein Befehl hallte über den Strand. Eine Handvoll Soldaten löste sich von der Kolonne und näherte sich im Laufschritt, die
     Bajonette in der Hand. Marie-Provence ertappte sich dabei, wie sie verzweifelt nach einem bekannten Gesicht suchte. Doch vergebens.
     Sie würde ihn nie wiedersehen.
    Ihr Vater fluchte. «Sie haben uns entdeckt.»
    Eine Welle überspülte Marie-Provence, sie schluckte Salzwasser. Hände packten sie unter den Achseln. Die harte Bootskante
     scheuerte die Haut über ihrem Hüftknochen wund, als sie mit einem Ruck an Bord gehievt wurde.
    «Runter!», befahl ihr Vater, der sich hinter

Weitere Kostenlose Bücher