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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Wie willst du beurteilen, was damals geschah? Du warst nicht dabei! Ich hatte keine Wahl   …» Croutignac begann, sich hektisch zu kratzen.
    Marie-Provence benetzte die Lippen. Ihr Herz pochte in der Brust. «Warum? Sind Sie gezwungen worden? Bedroht? Ist Ihnen Félicie
     gewaltsam entrissen worden?»
    «Die Königin, der ganze Hof   …», wand sich Croutignac.
    «Er wurde gefragt», donnerte Guy dazwischen.
    Auf einmal war es still.
    Marie-Provence musste schlucken. «Sie sind gefragt worden, ob Sie Ihre Tochter inokulieren lassen möchten?», fragte sie sanft.
    Croutignac war kreidebleich. Er blieb stumm.
    «Er hat eingewilligt», antwortete Guy an seiner Stelle.
    Croutignac schüttelte hektisch den Kopf. «Ich stand vor der Königin!»
    «Sie haben dem Eingriff zugestimmt?», stieß Marie-Provence ungläubig aus. «Und weil Sie das nicht ertragen, suchen Sie seit
     Jahren die Schuld bei anderen?»
    «Ich wollte es nicht!»
    «Aber Sie haben zugestimmt!»
    «Weil ich musste!»
    |539| «Weil Sie zu feige waren, zu beeindruckt von den Menschen und der Umgebung dort», antwortete Marie-Provence heftig. «Und das
     verzeihen Sie sich bis heute nicht!»
    Croutignac riss in einem stummen Schrei der Verzweiflung und des Schmerzes Mund und Augen auf. Mitleid erfasste Marie-Provence.
     Croutignac starrte sie an. Er machte eine abwehrende Handbewegung, presste aber sogleich die Hände auf den Mund. Er würgte
     heftig, wirbelte auf dem Absatz herum und stürmte aus dem Haus.
    Marie-Provence sah ihm noch nach, als ihr Vater sie anfuhr: «Nun mach schon, Marie! Bind mich los!»
    Im selben Augenblick fielen draußen Schüsse.
    ***
    André bewegte seine schmerzenden Beine im Rhythmus des Trommlers. Er war am Ende seiner Kräfte. Seit gestern Nacht waren sie
     nun im Regen unterwegs. Nach der erfolgreichen Einnahme des Forts war ihnen keine Ruhe vergönnt worden, sondern sie waren
     direkt weitermarschiert. Hoche hatte die Truppen in ihrer Formation beibehalten, und sie eroberten, aufgeteilt in drei Einheiten,
     parallel die beiden langen Küstenstreifen und die Landwege der Halbinsel. Der Feind, völlig überrumpelt, bot kaum Widerstand.
     Es hieß, Puisaye sei geflohen. Unter Sombreuil hatte sich der letzte stattliche Rest der royalistischen Armee versammelt und
     floh nun zur Spitze der Halbinsel.
    Während der Stunden, die André mit seinen Kameraden die aufgeweichten Wege von Quiberon durchpflügte, überkam ihn ein Gefühl
     der Unwirklichkeit. Die Schüsse und Explosionen, die Schreie der Menschen und Pferde, das Entsetzen, das viele Blut – das
     alles war wie ein Rausch der Sinne. Er, der oft in seinen Gedanken lebte und zum ersten Mal erfuhr, was Krieg bedeutete, war
     hineingerissen worden in eine Welt, die für einen Zweck kämpfte, der sich ihm mehr und mehr entzog. Welches Ziel rechtfertigte
     so viel Leid und Tod? Ihm fiel keines ein. Da er aber spürte, wie der Blick |540| seines Hauptmanns ihn immer wieder suchte, feuerte er wie alle anderen seine Waffe ab.
    Nur achtete er darauf, dass keiner seiner Schüsse traf. Stets gingen seine Kugeln hoch über den Köpfen der Feinde verloren.
     André rieb sich die Müdigkeit aus den Augen. Hoche würde enttäuscht sein: André war fest entschlossen, heute keinen Helden
     aus sich zu machen.
    ***
    Voller Schrecken betrachtete Marie-Provence die vier Männer, die blutüberströmt neben der Kate am Boden lagen. Nur zwei von
     ihnen gaben noch Lebenszeichen von sich.
    «Pips, ich steh in deiner Schuld», sagte ihr Vater. «In euer aller hier!»
    Die sechs Männer ihres Vaters grinsten sich an.
    «Wir haben uns Sorgen gemacht, capitaine, als Sie ewig nicht auftauchten», erklärte Pips, «deshalb haben wir beschlossen,
     nach dem Rechten zu sehen. Und als die Kerle vor Ihrem Haus auch noch so dumm waren zu behaupten, sie seien Ihre Männer, war
     uns klar, dass hier etwas zum Himmel stinkt. Dann tauchte auch noch der hier auf», er deutete auf Croutignac, der kreidebleich
     an der Mauer lehnte und seinen blutenden Arm stützte, «und die andern hier sind vor ihm strammgestanden, da haben wir nicht
     lange gefackelt.»
    «Gut. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wie sieht es am Hafen aus?»
    Pips schüttelte den Kopf. «Da ist nichts mehr zu holen. Aber ein Stück weiter haben wir eine Barke gesichert. Drei von uns
     sind dageblieben, aber wir müssen uns sputen, die Boote sind heiß begehrt.»
    «Gut, dann auf!» Guy fasste Marie-Provence am Arm. «Komm,

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