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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Marie!»
    Sie liefen los. Alles war böig und nass, dunkle Wolkenberge flogen tief über ihren Köpfen. Der sintflutartige Regen war vorbei,
     nur noch winzige Tropfen fielen vom Himmel, doch der Sturm ließ sie wie Nadeln auf ihre Gesichter prasseln. |541| Bevor sie um die nächste Ecke bogen, drehte Marie-Provence sich um. Hinten am Haus lehnte noch immer Croutignac und sah ihnen
     nach.
    «Macht er dir Angst?», fragte ihr Vater.
    «Er tut mir leid. Ist das nicht verrückt?»
    «Leid tut er mir nicht», widersprach Guy unversöhnlich. «Der Kerl ist ein Mörder, er hat Angèle auf dem Gewissen. Ich würde
     ihn lieber heute als morgen an die nächste Mauer stellen. Aber ich bin deiner Meinung: Er ist grausamer gegen sich selber
     als jeder Richter. Möge Gott ihm ein langes Leben schenken, auf dass er sich noch lange zerfleische!» Er riss sie mit sich.
    Marie-Provence und ihre Begleiter hasteten an einigen Häusern vorbei, doch kein Mensch war zu sehen. Strohfetzen, Haushaltsgegenstände
     und ein paar Kleidungsstücke weichten im Schlamm auf. Die Türen standen offen und schlugen laut im Wind. Die ganze Szenerie
     war untermalt von einem unablässigen Trommeln, das ganz aus der Nähe kam. Endlich, nach zehn Minuten erbarmungslosen Hetzens,
     erreichten sie den Hafen.
    «Mein Gott   …», stieß Marie-Provence aus, ungläubig und entsetzt zugleich.
    Kein einziges Schiff war am Kai festgemacht. Stattdessen war das Ufer übersät mit weggeworfenem Gepäck. Ballen, Körbe, Wrackteile
     und Leichen trieben im aufgewühlten Wasser, Möwen und Strandläufer schossen kreischend über sie hinweg. Hunderte von flüchtigen
     Royalisten standen am Ufer, sowohl Uniformierte wie auch Zivilisten. Einige rissen sich die Jacken und Hemden herunter, in
     der Absicht, sich in die schäumenden Fluten zu stürzen. Frauen waren bis zu den Hüften weit in die Brandung vorgedrungen,
     um flehend ihre Kinder vorbeiziehenden Schaluppen entgegenzuhalten. Die meisten Gefährte waren bereits überladen und manövrierten
     gefährlich tief im Wasser. An einer Barke hingen ganze Menschenketten und brachten sie ins Schlingern. Ein englischer Soldat
     ergriff ein Ruder und schlug weinend die Finger vom Rand.
    |542| Etwa hundert Transportschiffe, zu schwer, um sich in dem tosenden Wasser dem Ufer zu nähern, schaukelten weiter hinten in
     der Bucht. Sie waren umlagert von kleineren Schiffen und Barken, die Verletzte und Flüchtlinge bei ihnen abluden und dann
     wieder an Land ruderten, um neue Verzweifelte aufzunehmen. Eine völlig überfüllte Barke, überspült von einer Welle, kippte
     vor Marie-Provence’ entsetzten Augen. Arme schlugen im Wasser und verschwanden.
    Ihr Vater zerrte Marie-Provence weiter. Sein Gesicht war hart. «Hier können wir nichts tun. Pips?»
    «Noch ein Stück, capitaine», keuchte der ältere Mann. «Dann haben wir es!»
    ***
    Als die republikanische Armee schon weit auf die Landzunge vorgedrungen war, machte sie sich daran, den Haupthafen einzunehmen.
    «Nach dem, was unsere Späher berichteten, wird es ein Kinderspiel sein», rief der General, der Andrés Einheit kommandierte,
     von der Höhe eines Fasses. «Uns erwarten hauptsächlich Zivilisten, wir werden also viele Gefangene machen. Wir werden einen
     Ring bilden, diesen nach und nach verengen und alles, was sich uns ergibt oder uns in die Hände fällt, auf dem Strand versammeln.
     Dann werden wir mit dem Tross weiterziehen, bis wir auf General Hoche stoßen.» Er hob einen Arm. «Bis dahin viel Glück!»
    Ein begeisterter Schrei aus Hunderten von Kehlen antwortete ihm. André beteiligte sich nicht an der Euphorie. Die Trommel
     wirbelte, die Einheiten formierten sich neu. André schulterte sein Gewehr. Er wollte gerade zu seinen Kameraden aufschließen,
     als eine Hand auf seiner Schulter ihn zurückhielt.
    «Leutnant Levallois?», fragte eine eindringliche Stimme.
    André drehte sich um und sah sich einem Offizier mit breit ausladendem Schnurrbart gegenüber.
    «Der bin ich, ja. Was gibt’s?», fragte er.
    |543| «Sie werden für diesen Einsatz nicht mehr benötigt. Bitte händigen Sie mir Ihre Waffen aus.»
    «Was soll das?»
    «Sie sind verhaftet im Namen der Republik.»
    «Verhaftet?», fragte André ungläubig. Er lachte auf: «Was werfen Sie mir vor? Habe ich mit dem Feind paktiert? Die Besetzung
     des Forts verhindert? Die Royalisten vor unserem Überfall gewarnt?»
    Auf einmal stand der Offizier neben André, unter dessen Kommando er und seine

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