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Die Ballonfahrerin des Königs

Titel: Die Ballonfahrerin des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Douglas
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Marie-Provence sich wieder einmal an einen der Leiterwagen
     gedrängt hatte, hatte sich Marie-Provence eine Frau zugewandt, von der sie bisher nur den geschorenen Hinterkopf gesehen hatte   …
    Kostbare Sekunden lang starrten sich Marie-Provence und Angèle wortlos an, fassungslos vor Schrecken.
    «Marie-Provence? Was tust du hier, um Gottes willen?»
    «Maman?» Marie-Provence umklammerte die Streben des
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Wagens. Ihr Blick schoss über das Gespann, den Wagen, die Menschen.
    «Marie?»
    Marie-Provence antwortete nicht. Sie drehte den Kopf hektisch in alle Richtungen. Hier geschah ein gewaltiger Irrtum! Warum
     merkten diese Menschen das nicht? Sie öffnete den Mund, um den Schrei herauszulassen, der ihre Brust zu zerreißen drohte.
    «Ma fille, hör mir zu!» Angèle de Serdaine fiel auf die Knie, um ihrer Tochter näher zu sein.
    Marie-Provence wisperte: «Ich   … Die Garden   …»
    «Du sollst mir zuhören!»
    Marie-Provence riss den Kopf hoch.
    «Es gibt einen Mann, der uns Verderben geschworen hat. Du musst dich vor ihm in acht nehmen!»
    «Was? Wer?»
    «Er heißt Cédric Croutignac. Er wohnt jetzt in unserem Haus. Er will die Serdaines vernichten. Hüte dich vor ihm!»
    Die Gefangenen waren nun komplett. Zehn pro Wagen.
    Ein Befehl erschallte, der Wagenführer griff zu seiner Peitsche, und die Gendarmen bestiegen ihre Pferde.
    «Aber warum will er das?», schrie Marie-Provence. «Was hat er gegen uns?»
    Den Wagen durchfuhr ein Ruck, als er sich in Bewegung setzte.
    Marie-Provence ließ nicht los.
    Ein Soldat fuhr sie an: «Schluss jetzt!»
    «Pass auf dich auf, Kind!», hatte Angèle geflüstert, das Gesicht entstellt vor Furcht und Liebe. «Gott schütze dich!»
    Marie-Provence war von dem Soldaten beiseitegestoßen worden.
    «Antworte mir doch! Maman!»
    Doch da war der Leiterwagen schon durch das Tor verschwunden.
    Der Schmerz in ihrem Schädel wurde unerträglich. Marie-Provence sprang auf und lief vor bis an die Balustrade, reckte das
     Gesicht in die Nacht. Der Wind zauste an ihren Haaren. Da war sie wieder, die alte Sehnsucht, das Verlangen, die |106| Flügel auszubreiten und sich fallen zu lassen, zu fliegen bis zur Krümmung des Horizonts.
    Doch sie konnte nicht weg. Sie war verdammt dazubleiben, in das fahle Licht zu sehen und es zu ertragen. Sie spürte die kalten
     harten Verstrebungen des Geländers zwischen ihren Fingern. Bilder des Nachmittages überfielen sie. Ein junges Gesicht, von
     derselben grauen Hoffnungslosigkeit geprägt wie das ihrer Mutter damals. Marie-Provence rüttelte am Geländer. Warum nur lagen
     immer Gitter zwischen ihr und ihren Lieben? Warum zwang man sie ständig, sich ihr Elend anzusehen?
    Sie öffnete den Mund, atmete ein paarmal tief ein und aus. Nein! Diesmal würde es anders sein.
    Einen wenigstens würde sie retten aus Croutignacs Klauen.
    Marie-Provence wusste, dass Croutignac Beweise für die Schuld ihrer Mutter an das Gericht geliefert hatte und zu jeder Minute
     des Prozesses anwesend war, bis das Todesurteil ausgesprochen wurde.
    Etwas sagte ihr, dass Croutignac Charles mit demselben Hass verfolgte. Nur, dass Charles Identität den Mann zwang, weniger
     offensichtlich vorzugehen. Die Macht, die königliche Geisel köpfen zu lassen, hatte er nicht. Dafür ließ er den Jungen langsam
     sterben – unter den Augen eines Arztes. Eine Ungeheuerlichkeit, die kaum auszuhalten war.
    Marie-Provence strich ihre flatternden Haare zurück. Sie musste einen Weg finden, docteur Jomart auch weiterhin bei seinen
     Visiten zu begleiten. Und sie brauchte Hilfe. Männer, die ihr bei der Umsetzung ihres Vorhabens zur Hand gehen würden.
    Wie hatte ihr Vater immer gesagt, wenn sie Angst hatte, eine Aufgabe nicht bewältigen zu können?
Marie, lass dir von niemandem einreden, du seiest schwach und wehrlos. Ich habe im Krieg Folgendes gelernt: Wichtig ist nicht,
     ob man stark ist, sondern ob der andere es glaubt.
    Sie erinnerte sich noch genau an Croutignacs Gesichtsausdruck, als sie sich im Schlafzimmer ihres Vaters auf ihn |107| gestürzt hatte. Er hatte damals an ihre Stärke geglaubt. Und er würde es wieder tun!
    Ruhe und Entschlossenheit legten sich wie ein schützender Schild um sie, und sie drehte sich um, um schlafen zu gehen.

|108| 4.   KAPITEL
    Prairial, Jahr II
    Juni 1794
     
    «André? Was machst du hier? Da draußen warten schon alle auf dich! Zéphyr ist bereit, und alles strömt zum Versammlungsplatz!»
    «Ich komme gleich», antwortete André seinem

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