Die Ballonfahrerin des Königs
geteilt wurden. Der größte Teil wurde in das Stadtarchiv
aufgenommen. Dort ist die Karte nicht, ich habe mich persönlich davon überzeugt. Ein bestimmter Teil allerdings verschwand
sang- und klanglos. Hätte nicht ein mir bekannter Schreiber bereits das gesamte Inventar der geborgenen Dokumente erstellt,
wäre das Fehlen niemandem aufgefallen.» Assmendi deutete auf den Journalisten. «Monsieur Saison hat sich daraufhin auf die
Spur der Archive gemacht und ist dabei auf eine höchst merkwürdige Person gestoßen. Nämlich auf einen Mann, den es eigentlich
gar nicht gibt.»
Théophile Saison nickte. «Inzwischen weiß, glaube ich, jeder, wie machtbesessen Robespierre ist. Doch er ist nicht von heute
auf morgen an die Position gelangt, die er heute innehat. Es gingen Jahre der Vorbereitung voraus. Jahre der |221| Erpressung, der Beobachtung und des Sammelns von Informationen. Und während er selbst mit der hohen Politik beschäftigt war
und lange Reden im club des Jacobins hielt, arbeitete ein Mann, für ihn im Dunkeln. Ein Mann ohne offizielle Funktion, doch
mit erstaunlichen Befugnissen.» Der Journalist sah Guy de Serdaine bedeutungsvoll an. «Ein Mann, den Sie, Monsieur le chevalier,
gut kennen, fürchte ich.»
«Meinen Sie etwa Cédric Croutignac?», rief Marie-Provence.
Der Journalist nickte. Die Versammelten sahen sich einen Augenblick lang schweigend an.
Marie-Provence fasste sich an den Kopf und dachte angestrengt nach. Da war doch etwas … Was hatte Dorette damals zu ihr gesagt, als sie die alte Dienerin über Croutignac ausgefragt hatte? Eine Welle der Erregung
erfasste sie. «Ich weiß, wo sich die Karte befindet!», rief sie.
Ruckartig wandten sich alle Gesichter ihr zu.
«Du, Marie?», fragte ihr Vater. «Aber woher …»
«Dorette hat es mir zufällig mitgeteilt, als ich sie sprach. Allerdings wird es schwer sein, an das Dokument ranzukommen.
Ich bin sicher, Croutignac bewahrt es in unserem früheren Zuhause auf, Vater, in meinem alten Zimmer, am quai des Augustins.»
«Mal angenommen, es gelingt uns, die Karte in unseren Besitz zu bringen, wir finden den Gang, und die Flucht gelingt. Was
ist dann?», fragte Guy de Serdaine.
Der baron de Batz kreuzte die Arme. «Wir können den König nicht sofort aus der Stadt bringen – zu riskant. Wir werden Glück
und Geduld brauchen. Und gute, verlässliche Freunde, die den König für längere Zeit in Paris verstecken.»
«Womit der König jedem Verräter ausgeliefert wäre», warf Guy de Serdaine ein.
«Das hört sich an, als seien Sie anderer Meinung, Monsieur le chevalier», sagte Assmendi.
«Ja, das bin ich. Und ich will Ihnen gerne erklären, weshalb. |222| Wie Sie wissen, habe ich die letzten Monate beim Prince de Condé und unseren Truppen verbracht. Ich kann daher, glaube ich,
unsere Situation einigermaßen realistisch einschätzen. England ist bereit, uns zu helfen. Das österreichische Kaiserhaus sieht
in dem König einen Verwandten. In der Bretagne und der Vendée gärt es heftig beim einfachen Volk. Die Chancen stünden so gut
wie nie für unsere Sache – wenn wir nur selbst daran glauben würden!» Guy de Serdaine schlug mit der Hand auf den Tisch. «Condé
sind hochwertige Truppen unterstellt, die fast ausschließlich aus Offizieren bestehen; die einfachen Soldaten desertierten,
um der Revolution zu dienen. Condés Männer sind die crème de la crème, Messieurs! Und dennoch verliert diese Armee eine Schlacht
nach der anderen. Wissen Sie, warum? Nicht etwa weil die Männer enteignet wurden und sie arm wie die Kirchenmäuse sind. Nicht
weil der Sold so gut wie nie ausgezahlt wird. Nicht weil Essen und Uniformen fehlen. Sondern weil die Truppen orientierungslos
sind! Sie brauchen ein Ziel, für das sie kämpfen!»
Guy de Serdaine sah jeden Einzelnen der Männer an. «Ich sage Folgendes: Ist der König einmal befreit, muss er, so schnell
es geht, Paris verlassen. Und dorthin gebracht werden, von wo aus er sein Land zurückerobern kann: an die Spitze seiner Armeen!»
Assmendi nickte. «Ich persönlich stimme Ihnen voll und ganz zu, Serdaine. In der Theorie zumindest. Praktisch gesehen aber
beharre ich darauf, dass es unmöglich ist, das Kind aus der Stadt zu schleusen.»
Marie-Provence und ihr Vater sahen sich an.
«Ich wüsste schon eine Möglichkeit», sagte Guy de Serdaine.
***
«Wie, sie ist nicht da?», fragte Rosanne. Ihre Stimme klang schrill.
«Die Bürgerin Duchesne hat
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