Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
einem Sagen-Sie’s-ihm-Blick zu John Burgess hinüber.
»Nicht genug«, antwortete Burgess, der ehemalige Ermittler bei Kroll Associates, angestrengt lächelnd. »Für unsere Zwecke bräuchten wir etwas Großes, aber davon kann keine Rede sein. Was wir
bisher haben, käme ehrlich gesagt nicht mal auf die Titelseite der South Bend Tribune . Gefälligkeiten für Großspender? Klar. Das bezeichnen Politiker als Dienst am Wähler. Illegale Wahlkampfspenden? Eigentlich nicht – er ist dreimal wiedergewählt worden, hat sich dabei gegen ehrlich finanzierte Mitbewerber durchgesetzt. Einer hat ihm vor über einem Jahrzehnt illegale Spenden vorgeworfen, aber die Sache war so kompliziert, dass sogar Juristen nicht wussten, ob Kirk sich strafbar gemacht hatte.
Der Senator hat Wahlkampfspenden von zwei Unternehmen erhalten, die mehrheitlich CALPERS, dem Pensionsfonds des öffentlichen Diensts in Kalifornien, gehörten. Wären die Spenden dem jeweiligen Mehrheitsaktionär zuzurechnen gewesen, hätten sie über der gesetzlichen Obergrenze gelegen.« Ein schwaches Lächeln. »Ein Journalist hat Bennett Kirk bei einer Pressekonferenz danach gefragt. Kirk hat gesagt: ›Sorry, könnten Sie’s mir noch mal erklären?‹, und der ganze Saal hat gelacht. Damit war dieser sogenannte Skandal erledigt.
Ansonsten? Vor zwanzig Jahren scheint er mal ein kurzes Abenteuer mit einer Serviererin in Reno gehabt zu haben, aber die Frau streitet das energisch ab, und selbst wenn’s anders wäre, würden die Medien kaum darauf anspringen. Die Journalisten haben diesem Kerl einen Heiligenschein aufgesetzt. Um ein bisschen weiterzukommen, müsste man im Augenblick beweisen können, dass er alle Jungen im Harlem Boys’ Choir sexuell belästigt hat.«
»Kaufen lässt er sich auch nicht«, sagte Collingwood mit seiner flötenden Stimme. »Ich meine, ihr wisst ja, dass er unheilbar krank ist. Das hat er bisher geheim gehalten, aber wenn’s herauskäme, könnte er mit einer Woge öffentlichen Mitgefühls rechnen. Unterdessen hat er die Nachwelt fest im Blick. Er weiß, dass er nicht mehr lange genug leben wird, um erneut zu kandidieren, aber er wird lange genug leben und funktionieren, um uns gewaltige Schwierigkeiten zu machen.«
»Das ist der Samson-Effekt«, fügte Burgess hinzu. »Seine
Krankheit nützt uns nichts. Er ist noch stark genug, um die Säulen umzureißen und den gottverdammten Tempel einstürzen zu lassen.«
»Wissen ist Macht, sagen Sie.« Collingwood warf Bancroft einen bedeutungsvollen Blick zu. »Das Problem ist natürlich das Wissen des Kirk-Komitees. Irgendwoher hat der Senator Informationen, die er einfach nicht haben dürfte. Das macht ihn zu einer echten Gefahr für unser gesamtes Unternehmen.«
»Und wir haben noch immer keine Ahnung, woher?« Bancrofts Blick war aufmerksam, aber nicht besorgt.
Collingwood zuckte mit den Schultern.
Gina Tracy wirkte ungeduldig. »Ich verstehe noch immer nicht, wieso wir Senator Kirk nicht einfach beseitigen können. Das Unvermeidliche beschleunigen. Den Stachel aus unserem Fleisch ziehen.«
Bancroft schüttelte ernst den Kopf. »Das haben Sie offenbar nicht zu Ende durchdacht.«
»Können Sie sich den empörten Schrei nach völliger Aufklärung vorstellen?« Collingwood musterte sie tadelnd. »Unter Umständen gefährlicher als das Komitee an sich.«
»Aber wir sind die gottverdammte Gruppe Theta«, widersprach die Schwarzhaarige. »Theta wie thanatos.« Sie sah zu Burgess hinüber. »Griechisch für Tod, nicht wahr?«
»Das ist mir bewusst, Gina«, sagte Burgess. »Aber genau dieselben Grundsätze zur Risikobeurteilung, die weltweit in Kraft sind, gelten auch hier.«
Tracy sah bittend zu Bancroft hinüber. »Es muss doch irgendetwas geben, das wir tun können!«
»Keine Sorge, ich werde nicht zulassen, dass ein Bauernlümmel von einem Politiker aus Indiana die Arbeit der Gruppe Theta zum Scheitern bringt«, erklärte Bancroft ihr. »Darauf können Sie vertrauen. Die Gruppe Theta muss die Speerspitze der Wohltätigkeit bleiben.«
»Extreme Philanthropie«, sagte Burgess halb schmunzelnd. »Wie Extremsport.«
»Bitte ziehen Sie mein Lebenswerk nicht ins Lächerliche.« Bancroft sprach leise, aber in seinem Blick lag eine deutliche Zurechtweisung.
Das nun folgende lange Schweigen wurde durch aufgeregtes Stimmengewirr aus der Nachrichtenzentrale ein Stockwerk tiefer unterbrochen.
Ein Mann mit teigigem Gesicht kam die Wendeltreppe heraufgehastet und trat mit ernster Miete vor
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