Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
den Exekutivausschuss. »Eben ist eine weitere Nachricht von Genesis eingegangen.«
»Noch eine?«, fragte Tracy betroffen.
Der Mann aus der Nachrichtenzentrale legte Paul Bancroft einen Ausdruck hin. Zu den anderen sagte er: »Die Jungs unten nehmen diese Sache ernst.«
Bancroft machte große Augen, als er die Nachricht überflog. Dann gab er das Blatt wortlos an Collingwood weiter.
»Das gefällt mir nicht«, sagte Collingwood betont ruhig, ohne aber seine Besorgnis verbergen zu können. »Was halten Sie davon, Paul?«
Der Philosoph wirkte in sich gekehrt und konzentriert. Sogar ein Außenstehender hätte erkannt, dass er keineswegs ängstlich, sondern nur sehr nachdenklich war; die anderen wussten, dass das seine Methode der Krisenbewältigung war.
»Nun, meine Freunde, wir haben jetzt offenbar größere Sorgen«, sagte Bancroft schließlich. »Genesis hat seine Drohungen verschärft.«
»Wir sollten den Plan für eine Auslagerung in die Tat umsetzen«, schlug Collingwood vor, indem er den Text nochmals studierte. »Den Betrieb hier vorläufig einstellen, ihn in eine der anderen Einrichtungen verlagern. Vielleicht in die bei Butler, Pennsylvania. Das schaffen wir nahtlos über Nacht.«
»Aber mir widerstrebt die Vorstellung, dass wir ängstlich flüchten«, sagte Liebman.
»Nicht für lange, Herman«, sagte Bancroft. »Kurze Unbequemlichkeiten, um auf Dauer Sicherheit zu haben, sind nicht weiter bedeutend.«
»Aber wieso passiert das gerade jetzt?«, fragte Liebman.
»Sobald wir uns das Ansari-Netzwerk einverleibt haben«, erklärte Burgess seinem älteren Kollegen, »sind wir absolut unschlagbar. Im Augenblick befinden wir uns in einer Übergangsphase, die erhöhte Verwundbarkeit mit sich bringt. Wir brauchen sie nur abzuwettern, dann sind wir vollends unbesiegbar.«
»Dann ist die Welt unser Revier«, warf Collingwood ein.
Liebman war noch immer nicht zufrieden. »Aber wenn wir uns von Genesis …«
»Inver Brass ist damals gescheitert, weil es sich übernommen hat.« Bancrofts Stimme klang in ihrer Intensität fast hypnotisch. Er schien wieder die Oberhand zu haben, hatte die Kontrolle zurückgewonnen. »Genesis wird’s erneut versuchen. Wir müssen nur die nächsten paar Tage überstehen. Genesis wird vernichtet werden.«
Liebman schien diesen Optimismus nicht zu teilen. »Oder es trifft uns.«
»Bist du ein Zweifler geworden wie Thomas im Garten Gethsemane? Habe ich dein Vertrauen verloren?« Bancrofts Miene war undurchdringlich.
»In wichtigen Fragen hast du nie unrecht gehabt«, murmelte Liebman gekränkt.
»Sehr freundlich von dir«, kommentierte Bancroft eisig.
Liebman zögerte, ob er weitersprechen sollte; jahrzehntelange Freundschaft und Loyalität bewogen ihn jedoch, dem großen Mann ehrlich zu sagen, was er dachte. Er räusperte sich umständlich. »Aber, Paul«, sagte er, »es gibt immer ein erstes Mal.«
Der Aufzug im elften Stock machte ping!, und Belknap stieg aus. Dabei behielt er den leicht blasierten Gesichtsausdruck eines übermüdeten Vielfliegers bei, den er für den Fall aufgesetzt hatte, dass in der Kabine eine versteckte Überwachungskamera installiert war. Die Räume der Firma Estotek lagen eine Etage tiefer; der elfte Stock gehörte zu einem Drittel CeMine. Wie Gennadi ihm erklärt hatte, war CeMine ein auf »Biomarker« spezialisiertes pharmazeutisches Start-up-Unternehmen mit dem Ziel, Bioanalysen – einfache Blutproben – zu entwickeln, die bei bestimmten Krebsarten chirurgische Biopsien ersetzen konnten. Die Firma brüstete sich damit, auf »einer strategischen Kooperation zwischen Industrie, Wissenschaft und staatlichen Stellen« zu basieren. Viele Partner, viele Taschen.
CeMine belegte eines von drei Büros in dieser Etage; Belknap wählte dieses, weil die hier geleistete Arbeit kaum geheimhaltungsbedürftig war, sodass die Sicherheitsvorkehrungen am geringsten sein würden. Zwischen ihm und den CeMine-Räumen stand nur noch eine Stahltür mit einem eingesetzten schmalen Rechteck aus Drahtglas.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass auf dem Korridor keine Überwachungskamera angebracht war, steckte Belknap eine schmale Spannvorrichtung, die er ganz hinten anfasste, um den Widerstand besser spüren zu können, in das Sicherheitsschloss unter dem Türknopf. Dann schob er einen Dietrich ganz hinein und zog ihn langsam wieder heraus, damit er alle Sicherungsstifte anhob. Aber das Schloss ließ sich noch nicht öffnen; wie er befürchtet hatte, war es
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