Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
einen harmlosen Rancher mit demselben Namen umgelegt. Da kann ich nur sagen: Scheiße.«
Danach herrschte sekundenlang betroffene Stille, in der nur das leise Rauschen der Klimaanlage zu hören war.
»Oi, got bahit«, sagte Hermann Liebman, dessen lose Halsfalten vor Frustration bebten.
»Und dabei waren das angeblich unsere besten Leute«, fuhr Tracy fort. »Absolut erstklassige Kräfte. Vielleicht hätten wir lieber Einheimische verwenden sollen. Für die spricht letztlich doch einiges, wisst ihr.«
»So was kann eben passieren«, flötete George Collingwood und legte eine Hand mit gespreizten Fingern auf seinen sorgfältig gestutzten lockigen Bart. Jemand hatte einmal bemerkt, sein Bart sehe wie Schamhaar aus, und Gina musste manchmal
lächeln, wenn ihr das einfiel, während sie ihn ansah. So auch diesmal.
Er legte den Kopf schief. »Finden Sie das komisch?«
»Nur auf finstere, bittere, düster komische Weise«, versicherte Gina ihm.
John Burgess’ wässrige blassblaue Augen suchten ihre. »Haben Sie eine Empfehlung?« Das gedämpfte Tageslicht ließ die Kammspuren in seinem weißblonden Haar hervortreten.
»Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, wie dergleichen sich zukünftig vermeiden lässt«, sagte sie. »Ich kann solche Pannen nicht leiden.«
»Das kann keiner von uns«, sagte Collingwood.
»Ich muss noch lernen, sie mit Fassung zu tragen«, sagte Tracy. Manche Leute hätten sie als eiskalte Technokraten bezeichnet, das wusste sie, aber in Wirklichkeit nahmen sie ihre Arbeit sehr ernst, sodass es immer schwierig war, Misserfolge nicht persönlich zu nehmen. »George hat recht. Wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Lässt man sich davon zu sehr beeinflussen, verliert man den Blick fürs große Ganze. Das würde Paul sagen.« Sie wandte sich an den Gelehrten. »Nicht wahr?«
»Ich bedaure diesen Irrtum«, sagte Paul Bancroft. »Sogar sehr. Wir haben schon früher Fehler gemacht und werden unvermeidlich auch zukünftig welche machen. Trotzdem können wir uns mit dem Bewusstsein trösten, dass unsere Fehlerquote weiter deutlich unter der Obergrenze liegt, die wir als akzeptabel festgelegt haben – und dass sie allmählich zurückgegangen ist. Das ist ein Trend, der uns ermutigen sollte.«
»Trotzdem«, sagte Liebman brummig.
»Wichtig ist, solche Fehlschläge in den größeren Kontext unserer Erfolge einzuordnen«, fuhr Bancroft fort, »und beharrlich nach vorn zu blicken. Wie Sie ganz richtig sagen, Gina, müssen wir aus Fehlern lernen und festlegen, welche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen uns in Zukunft vor solchen Irrtümern schützen
können. Die Risikoberechnung ergibt eine asymptotische Kurve. Das heißt, dass Verbesserungen immer möglich sind.«
»Sollen wir unsere Jungs noch mal hinschicken, damit sie den Richtigen erledigen?«, fragte Burgess.
»Vergessen Sie’s«, sagte Collingwood. »Das wäre ein zu großer Zufall. Ich meine, selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass jemand die Todesfälle unter Männern namens Javier Solanas verfolgt. Eine Risikoanalyse würde zeigen, dass es sich nicht lohnt, diese Möglichkeit zu verfolgen. Sonst Entwicklungen von Interesse?«
»Ihr habt bestimmt die Meldungen über die Frau gelesen, die im Norden Nigerias gesteinigt worden ist«, sagte Tracy. »Ein Dorfgericht scheint sie wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt zu haben. Ich meine, wie mittelalterlich kann man sich noch aufführen?«
Paul Bancroft runzelte die Stirn. »Hoffentlich vergessen Sie dabei nicht unsere übergeordneten Interessen«, sagte er. »Wir können uns das von den Eierköpfen bestätigen lassen, aber ich sage voraus, dass dieses von gewaltigem Medienecho begleitete Ereignis sich sehr positiv auf weitere HIV-Ansteckungen auswirken wird. Hier haben wir’s wieder einmal mit dem Kind-im-Brunnen-Syndrom zu tun. Die Weltmedien konzentrieren sich auf eine Frau mit dem traurigen Blick und einem Säugling auf dem Arm. Das ergreifende Bild einer Muttergottes mit Kind. Trotzdem wird das mittelalterliche Recht dieser ungebildeten Mullahs vermutlich Tausende von Aids-Fällen verhindern. Das heißt Tausende von schmerzhaften, langwierigen, qualvollen, kostspieligen Toden.«
Collingwood blinzelte. »Eigentlich nur logisch«, stimmte er zu, bevor er sich an Tracy wandte. »Weshalb ist der Prozentsatz von HIV-Positiven in islamischen Staaten Ihrer Meinung nach so niedrig? Weil die Ansteckungsgefahr abnimmt, sobald man sexuelle Promiskuität ächtet und strafbar macht. Sehen Sie
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