Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
doppelt gesichert. Also drehte er den Dietrich um und drückte die unteren Sicherungsstifte hinein. Erst nach mehreren Minuten anstrengender, höchst konzentrierter Arbeit öffnete sich das Schloss, und die Tür war offen.
Kein Alarm. Wie er vorausgesehen hatte, genügten für diese Räume, in denen Buchhaltung und Rechtsabteilung der Firma
untergebracht waren, die allgemeinen Bewachungsmaßnahmen des Gebäudes. In solche Büros wurde selten eingebrochen. Gewöhnliche Sicherheitsvorkehrungen würden ausreichen.
Belknap schloss die Stahltür hinter sich. Die Büros wurden durch Leuchtstreifen entlang der inneren Wände schwach erhellt: Das war die für Gebäude dieser Art vorgeschriebene Notbeleuchtung. Er wartete, bis seine Augen sich ans Halbdunkel gewöhnt hatten, dann machte er einen Rundgang, bei dem gelegentlich seine abgeblendete Stablampe aufblitzte. Bis auf ein paar Glaskästen in Fensternähe waren die Büroräume als offene Bürolandschaft eingerichtet. Der graue Teppichboden wies große Rautenmuster auf. Nach eingehender Inspektion entschied Belknap sich für eine Stelle, wo Telefon- und Computerkabel im Fußboden verschwanden. Wie bei den meisten neueren Gebäuden verbarg sich unter dem Bodenbelag ein Geflecht aus Glasfaser- und Koaxialkabeln. Sogenannte Teppichfliesen mit einer Seitenlänge von fünfzig Zentimetern waren heutzutage Standard, und er war nicht überrascht, sie auch hier vorzufinden; so ließ sich der Teppichboden leicht abnehmen, um Zugang zu dem Kabelgewirr zu schaffen. Belknap kniete bei den Mehrfachsteckern nieder und hob die Teppichfliese daneben hoch. Darunter lag ein ebenfalls in Quadrate eingeteilter enger Stahlrost, unter dem Kabel sichtbar waren. Aber wie hoch war die Deckenkonstruktion insgesamt? Er zog ein kleines Brecheisen aus seiner Ledertasche und machte sich daran, einen Sektor des Stahlrosts rasch und lautlos herauszuhebeln.
Dann schob er ein Glasfaserkabel mit einem kleinen Weitwinkelobjektiv durch die Öffnung. Am anderen Ende war es mit einer Digitalkamera verbunden, deren Monitor ein flackerndes Bild zeigte. Das am Ende seines Kabels bewegliche Objektiv mit nur sechs Millimeter Durchmesser und einem Blickwinkel von sechzig Grad lieferte ein RCA-Standardbild. Das vier Meter lange schwarze Kabel endete in einer kleinen schwarzen Elektronikbox,
in der ein Endo-Koppler die Lichtimpulse von Tausenden von hauchdünnen Glasfasern zu einem gemeinsamen Bild verschmolz. Ein winziger Xenonstrahler, der das Objektiv ringförmig umgab, beleuchtete den Bereich, durch den es sich im Zwischenboden schlängelte. Belknap schob immer mehr Kabel durch die Öffnung und lenkte es um Hindernisse herum, bis auf dem Bildschirm eine raue, weiße Fläche erschien: die Rückseite der Schalldämmfliesen an der Decke des Büros unter ihm.
Jetzt drückte er auf einen Knopf an der Elektronikbox. Aus der Manschette, die das Objektiv schützend umgab, schob sich ein Hohlbohrer und begann sich zu drehen. Der gehärtete Stahl fraß sich rasend schnell durch das weiche Material. Anschließend manövrierte Belknap das Objektiv in die Öffnung des soeben gebohrten Lochs.
Zunächst erschien auf dem Monitor nur ein irritierendes Moirémuster, bis Belknap die Einstellung so veränderte, dass das Estotek-Büro scharf abgebildet wurde. Die Büroeinrichtung entsprach dem heutigen Standard: rechteckige Schreibtische, schwarze Bürostühle mit ovalen Sitzflächen und Rückenlehnen, die üblichen PCs, Drucker, Telefone, Ein- und Auslauf-Körbe. Belknap drehte das Objektiv langsam, bis es erfasste, wonach er suchte.
Verdeckte Kontaktschalter, unauffällig und nur zu erkennen, wenn man wusste, wonach man suchte, oben am Rahmen der Eingangstür. Infrarot-Bewegungsmelder: kleine Kunststoffkästen zur Überwachung von Flächen mit hohem Verkehrsaufkommen wie Durchgänge zwischen Schreibtischgruppen und entlang der Fenster. Diese Bewegungsmelder, die jeden Abend bei Büroschluss aktiviert wurden, stellten die größte Herausforderung für ihn dar.
Belknap kannte dieses Modell. Die kleinen Kästen waren passive Geräte, die auf Temperaturänderungen ansprachen. Sobald ein warmer Körper in ihren Schutzbereich eindrang, entdeckten
die Sensoren ihn, wodurch der Stromfluss innerhalb des Geräts unterbrochen wurde, was wiederum Alarm auslöste.
Er begutachtete sie nochmals. Auf den ersten Blick hätte man sie für Lichtschalter halten können; sie waren so unauffällig, dass sie leicht zu übersehen waren. Eine
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