Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
wann Sie lügen. Es gibt nicht viel, was ich von Ihnen nicht weiß.«
Dann zertrat er die kleine mattschwarze Kugel unter seinem Absatz.
Der Mann wandte sich Andrea zu und sprach leise und drängend. »Wir haben nicht viel Zeit. Wird nichts mehr aufgenommen, werden sie auf ein technisches Versagen tippen. Aber es kann passieren, dass jemand das schon bald bemerkt.«
»Wer sind Sie?«
Aus seiner angespannten Miene sprach Angst, als er sie jetzt ansah. »Ein Gefangener, genau wie Sie.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich habe behauptet, ich könnte an Sie herankommen. Ich könnte Sie vernehmen, Ihre Schwächen ausnützen. Nur deshalb haben sie mich zu Ihnen gelassen.«
»Aber warum …«
»Das liegt vermutlich daran, wer Sie sind – und wer ich bin. Wir haben etwas gemeinsam.« Sein Gesichtsausdruck war gequält. »Ich bin mit Todd befreundet, wissen Sie.«
Andrea machte große Augen. »Mein Gott, Sie sind Jared Rinehart!«
WASHINGTON, D.C.
In seinem Büro saß Will Garrison noch einige Sekunden finster dreinblickend am Computer. Die Warnung war auf seinem Bildschirm erschienen: eine Mitteilung einer anderen Dienststelle, die sofort übers Intranet von Consular Operations verbreitet worden war. Die Bestätigung hatte nicht lange auf sich warten lassen. Der von dem New Yorker Informanten genannte Name war auf die Wachliste der FAA gesetzt worden und hatte prompt Alarm ausgelöst. Ein gewisser »Henry Giles« war unterwegs. Damit hast du bestimmt nicht gerechnet, Todd, alter Junge.
Gareth Drucker reagierte jedoch frustrierend zögerlich, als Garrison mit dieser Nachricht zu ihm kam. Seine Augen hinter den randlosen rechteckigen Brillengläsern wirkten verschleiert, unstet. Er stand so vor der Jalousie, dass seine schlanke Gestalt sich im Nachmittagslicht als Silhouette abhob, und schien Garrisons Blick nicht begegnen zu wollen.
»Ich sehe kommen, dass wir in der Scheiße sitzen, Will«, sagte Drucker geräuschvoll ausatmend, »aber ich weiß nicht mal, in wessen Scheiße.«
»Gottverdammt noch mal, wir können jetzt nicht lange rumscheißern!« , explodierte Garrison. »Wir müssen zuschlagen, sofort zuschlagen!«
»Immer diese verfluchte Kirk-Kommission«, sagte Drucker. »Ich habe wegen des Debakels im Hart Building schon genug einstecken müssen. Es gibt Zeiten, da muss man sich aus
der Deckung wagen, und es gibt welche, da muss man den Kopf einziehen und geduckt bleiben. Geht noch ein einziges Unternehmen schief, können wir uns darauf einrichten, es in den kommenden zehn bis zwölf Monaten erklären zu müssen. Das sagt mir mein politischer Instinkt.«
»Du willst die Rückholung doch nicht etwa verschieben?«
»Darüber muss ich erst nachdenken. Von Oakeshott erfahre ich, dass Kirks Leute plötzlich eine Art Beschützerinstinkt für unseren Mann entwickelt haben. Das ist ihm zugetragen worden, und Oakeshott hat ziemlich gute Verbindungen zu den Jungs im Kapitol. Am besten redest du mal mit ihm.«
»Zum Teufel mit Oakeshott«, wehrte Garrison aufgebracht ab. »Was steckt hinter dem Deal mit Kirk? Hat Castor was gegen sie in der Hand? Oder will der Dreckskerl vielleicht auspacken?«
Der Director of Operations schob die Unterlippe vor. »Das wissen wir nicht. Aber nehmen wir mal an, er hätte die gottverdammten Ermittler davon überzeugt, dass er auspacken will – und dann liquidieren wir ihn. Wie würde das aussehen?«
»Wie das aussehen würde? Wie wird’s erst aussehen, wenn du diesen durchgeknallten Gewaltverbrecher noch mal zuschlagen lässt? Er ist gemeingefährlich, das weißt du so gut wie ich. Du hast den internen Bericht aus Larnaka gelesen. Der Scheißkerl hat einen prominenten Reeder erschossen, der uns öfter als Informant gedient hat. Belknap hat die Kontrolle über sich selbst verloren; er ist vor Zorn und Verfolgungswahn unzurechnungsfähig – eine Gefahr für jeden, der ihm über den Weg läuft. Ich meine, Ruthie Robbins ist erst vor vier Tagen ermordet worden!«
»Von unseren Ermittlern höre ich, dass Castor nicht der Täter war. Sie ist von einem Scharfschützen erschossen worden, und er ist kein Scharfschütze. Und der Fall Larnaka scheint komplizierter zu liegen, als wir anfangs dachten. Außerdem stellen einige Leute alle möglichen Fragen zu Pollux. Vielleicht erwarten uns da noch einige Überraschungen. Sein Lebenslauf weist einige
dunkle Löcher auf, und wir wissen nicht, was darin steckt. Ich vermute mal, dass es nicht nur eine Handvoll Golfbälle
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