Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
täuschend höflich.
»Ich gebe zu, ich wäre fast auf Sie reingefallen.«
»Es war einen Versuch wert. Todd hat Sie offenbar zu seiner Helferin gemacht.« Er lächelte sein Raubtierlächeln – nur Zähne, keine Wärme. »Er hatte schon immer eine Schwäche für clevere Frauen. Aber Sie wissen offenbar nichts, was uns weiterhelfen könnte. Das ist keine große Überraschung.«
»Stellt Todd eine so große Bedrohung für Sie dar? Oder ich?«
»Im Allgemeinen reagieren wir nicht auf Drohungen, würde ich sagen. Wir sprechen sie aus. Und wir machen sie wahr. Jetzt mehr denn je. Das Ansari-Netzwerk gehört zu den größten der Welt, und jetzt ist es unser. Nikos Stavros hat Unmengen von Waffen transportiert, und Stavros Maritime wird jetzt von uns kontrolliert. Ebenso wie Dutzende von anderen großen Waffenhändlern. Ich weiß, dass Sie sich in der Wirtschaft auskennen. Da würde man sagen, dass wir das Feld aufgerollt haben.«
»Aufgerollt, ja. Man kauft in einer Branche viele kleine Firmen auf, um daraus einem marktbeherrschenden Konzern zu bilden. Ich weiß, wie das funktioniert. Coventry Equity hat mehrere solcher Versuche unterstützt.«
»Niemand konnte sich vorstellen, dass das auch in der Schattenwirtschaft, auf dem sogenannten Schwarzmarkt, möglich wäre. Ich denke, wir haben das Gegenteil bewiesen. Was natürlich bedeutet, dass wir auf dem Sprung sind, noch mächtiger zu werden.«
»Wer ist ›wir‹, wenn ich fragen darf?«
»Ich denke, das wissen Sie.«
»Theta.«
»Sie haben den Kristallisationskern genannt.« Ein weiteres freudloses Lächeln. »Verstehen Sie, welches Potenzial die Gruppe besitzt?«
»Ich weiß, dass Theta in aller Welt Wahlen manipuliert hat.«
»Das ist nicht mehr als eine Nebenbeschäftigung. Freie Wahlen gibt’s ohnehin nur in wenigen Staaten. In weiten Teilen der Welt sprechen Waffen lauter als Wählerstimmen. Deshalb haben wir uns für diese Lösung entschieden. Wir kontrollieren jetzt weltweit die Möglichkeit zu revolutionärer Gewalt. Untergrundbewegungen jeglicher Art können sich nur über uns mit Waffen versorgen. So können wir die Stabilität von Regimes sichern, die sonst gestürzt würden. Wir können Regimes destabilisieren, die sich sonst an die Macht geklammert hätten. Das bedeutet, dass wir in eine ganz neue Tätigkeitsphase eingetreten sind, wissen Sie. Wir operieren jenseits der Ebene der Nationalstaaten. Bald wird sich zeigen, was wir damit ins Leben gerufen haben – im Prinzip unseren eigenen Völkerbund.«
Andrea sah in die klaren Augen des großen Mannes, die ihren Blick resolut erwiderten. »Warum? Was wollen Sie damit erreichen?«
»Spielen Sie bitte nicht die Ahnungslose. Ich denke, das wissen Sie sehr genau.«
»Ich weiß, dass Sie Genesis sind. So viel ist mir klar. Deshalb wollten Sie wissen, ob Todd imstande sein würde, Sie aufzuspüren.«
Jared Rineharts graugrüne Augen weiteten sich. »Sie glauben wirklich, dass ich Genesis bin? Schwerlich. Wohl kaum, Andrea.« Er sprach lauter, war sichtbar erregt. »Genesis ist eine rein negative Macht auf der Welt. Genesis ist ein Urheber von Zerstörung.«
In ihrem Kopf drehte sich alles, als sie seine Antwort zu erfassen versuchte. Genesis. Dein Feind . Nach längerer Pause sprach sie leise, fast vertraulich. »Sie fürchten ihn.«
»Ich fürchte die Verlockungen von Chaos und Zerstörung. Welcher vernünftige Mensch täte das nicht? Genesis hat überall Fußvolk, rekrutiert ständig Söldner und Verbündete …«
»Sie fürchten ihn.«
»Ich versichere Ihnen, dass Genesis ein Feigling ist. Deshalb hat ihn nie jemand zu Gesicht bekommen.«
»Wie wirbt er dann Leute an? Wie kann er tätig sein?«
»Im Informationszeitalter ist das ein Kinderspiel. Genesis fischt in sogenannten sicheren Chaträumen im Internet, identifiziert dort Glücksritter, die miteinander chatten. Genesis versteht sich darauf, Zahlungen durch Strohmänner zu leisten, die ihrerseits wieder von bezahlten Spitzeln überwacht werden. Und weil niemand weiß, wer für Genesis arbeitet oder nicht, setzt allgemeiner Verfolgungswahn ein. Das Ganze ist sehr geschickt eingefädelt.« In Rineharts Stimme lagen Abneigung und Bewunderung zugleich. »Genesis gleicht einer Spinne in der Mitte ihres Netzes. Gelegentlich glänzt ein Faden in der Sonne, sodass wir ihn bemerken. Genesis hat sein eigenes Gesicht nie gezeigt. Genesis besitzt kein positives Programm für die Welt. Er – sie, es – legt es nur auf unsere Vernichtung
Weitere Kostenlose Bücher