Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
Kopf und Jahr entspricht. Hierzulande sind’s eher fünftausend Dollar.«
Andrea konzentrierte sich auf Heywood, während er sprach. Sein rötlicher Teint ließ seine blassen Augen umso stärker hervortreten. Er war kräftig gebaut und hatte große Hände mit hässlich
abgekauten Fingernägeln. Insgesamt ein Typ, den sie aus Erfahrung kannte: Mann ist Mann … mit nervösen Magenbeschwerden. Ein Schlägertyp mit Glaskinn.
»Das rückt die Dinge in die richtige Perspektive«, sagte Andrea.
»Hier geht’s darum, wie Forschungsgelder zugeteilt werden. Pharmafirmen sind großartige Entwickler, wenn ein realer Markt winkt. Aber ihnen fehlt der finanzielle Anreiz, Riesensummen für Medikamente für Leute auszugeben, die sie sich anschließend nicht leisten können.«
»Woraufhin die Bancroft-Stiftung eingreift.«
»Woraufhin wir eingreifen«, bestätigte Heywood ernsthaft nickend. Die Neue besaß eine rasche Auffassungsgabe. »Im Prinzip versuchen wir, Entwicklungen anzustoßen.«
Er fing an, seine Unterlagen zusammenzuschieben, aber Andrea war noch nicht fertig. »Entschuldigung«, sagte sie. »Ich komme aus dem Finanzsektor, deshalb drehe ich die Sache einmal um. Wäre es nicht besser, einen finanziellen Anreiz für jedes Forscherteam auszusetzen, das dieses Problem löst, statt zu versuchen, das siegreiche Team im Voraus auszugucken?«
»Wie bitte?« Heywood rieb sich den Nasensattel.
»Wir könnten am Ende des Regenbogens einen Topf Gold vergraben.« Ein leises Kichern lief um den Tisch, und Andrea merkte, dass sie errötete. Sie bedauerte, das Wort ergriffen zu haben. Aber ich habe recht, dachte sie. Oder etwa nicht? »Es ist schwierig, Erfindungen zu steuern . Und wenn ich richtig vermute, gibt es Hunderte von Laboratorien und Forschergruppen – an Universitäten, in gemeinnützigen Einrichtungen, auch in Biotechunternehmen –, die etwas Brauchbares erfinden könnten, wenn sie sich Mühe gäben. Macht man’s für alle lohnend, an einem Wettbewerb teilzunehmen, kann man diese ganze Kreativität steuern. Sie haben gesagt, die Pharmafirmen seien großartige Entwickler. Wieso soll es nicht auch für sie Anreize geben?
Sagen Sie ihnen zu, eine Million Dosen eines wirksamen Impfstoffs zu einem fairen Preis zu kaufen. Damit bieten Sie auch jedem potenziellen Investor einen Anreiz – und vervielfachen so die von uns aufgewendeten Mittel.«
Auf dem roten Gesicht des Projektplaners zeichnete sich mühsam beherrschte Verärgerung ab. »Was wir zu tun versuchen, ist klar«, sagte er. »Wir sorgen dafür, dass die Leute vom Startblock springen.«
»Und Sie wählen die Kandidaten, die Ihrer Ansicht nach die besten Siegchancen haben.«
»Genau.«
»Also schließen Sie Wetten ab.«
Der Projektplaner schwieg einen Augenblick.
Von der anderen Tischseite aus suchte ein distinguiert aussehender Mann mit vollem grauem Lockenhaar Andreas Blick. »Und Ihr Modell wäre … was?«, fragte er. »Eine Art Autorenwettbewerb, nur eben für medizinische Forscher. ›Vielleicht haben Sie bereits gewonnen‹ – irgendetwas in dieser Art?« Seine Stimme klang sanft, fast honigsüß. Die Herausforderung lag in den Worten, nicht in seinem Tonfall.
Andrea Bancroft spürte Hitze in sich aufsteigen. Aber der Einwand war nicht stichhaltig. Ihr fiel etwas ein, das sie in einem ihrer Geschichtsbücher gelesen hatte. »Ist die Idee so neu? Im achtzehnten Jahrhundert hat das englische Parlament einen Preis für ein Verfahren zur genauen Längenbestimmung auf See ausgesetzt. Informieren Sie sich darüber, werden Sie feststellen, glaube ich, dass das Problem gelöst und das Preisgeld kassiert wurde.« Sie zwang sich dazu, noch einen Schluck Tee zu nehmen, und konnte nur hoffen, dass niemand merkte, wie ihre Hand zitterte.
Der grauhaarige Mann musterte sie lange prüfend. Seine Gesichtszüge waren scharf und symmetrisch und erhielten ihre Wärme durch braune Augen; seine Art, sich zu kleiden – anthrazitgraue Tweedjacke, darunter eine Stoffweste mit Hahnentrittmuster
– war eindeutig professorenhaft. Ein Berater der Programmplaner?
Jetzt senkte sie plötzlich verlegen den Blick und starrte in ihre Teetasse. Klasse gemacht, Andrea, dachte sie. Machst dir gleich am ersten Tag hier Feinde.
Stärker als ihre Verlegenheit war jedoch ihre Aufregung: Dies waren Leute, die nicht nur davon sprachen, die Welt zu verändern, wie es eine Million Studienanfänger in endlosen Schlafsaalgesprächen taten – dies waren Leute, die das
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