Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
wirklich taten . Und sie fingen es clever an. Sehr clever. Sollte sie jemals Dr. Bancroft persönlich vorgestellt werden, würde sie sich beherrschen müssen, um seine Stiftung nicht überschwänglich zu loben.
Der Projektleiter sammelte seine Unterlagen ein. »Ihre Anmerkungen liefern uns bestimmt Stoff zum Nachdenken«, sagte er nüchtern. Aus seinem Tonfall sprach weder Zustimmung noch Ablehnung.
»Du liebe Güte«, sagte der braun gebrannte Mann links neben Andrea. Simon Bancroft, das wusste sie noch. Er bedachte sie mit einem flüchtigen Lächeln: vielleicht ein ironischer Glückwunsch, der jedoch mehrdeutig genug war, um später als aufrichtig hingestellt werden zu können.
Als Nächstes folgte eine halbstündige Pause. Die anderen Mitglieder des Stiftungsrats schlenderten in Grüppchen hinaus; manche gingen ins Erdgeschoss hinunter, wo Erfrischungen gereicht wurden, andere standen auf der Terrasse zusammen oder saßen unter Sonnenschirmen, während sie mit zusammengekniffenen Augen versuchten, Nachrichten auf den kleinen Displays ihrer BlackBerrys oder PDAs zu entziffern. Andrea irrte ziellos umher und fühlte sich plötzlich sehr allein: Sie war die Neue in der Klasse, die noch keinen Anschluss gefunden hatte. Bloß nicht zur falschen Gruppe in der Cafeteria setzen, dachte sie spöttisch. Dann riss ein angenehmer Bariton sie aus ihren trübseligen Gedanken.
»Miss Bancroft?«
Sie sah auf. Der Professorentyp in der Tweedjacke mit Weste. Sein offener Blick gefiel ihr. Er musste um die siebzig sein, aber in Ruhe war sein Gesicht bemerkenswert glatt, und aus seiner Art, sich zu bewegen, sprach eine gewisse Vitalität. »Würden Sie mir bei einem Spaziergang Gesellschaft leisten?«
So folgten sie einem mit Schieferplatten gepflasterten Weg hinter dem Haus, stiegen mehrere Gartenterrassen hinab, überquerten einen Bach auf einer Holzbrücke und gingen jetzt durch ein Labyrinth aus Ligusterhecken.
»Hier kommt man sich wie in einer anderen Welt vor«, sagte Andrea. »Einfach mitten in eine bestehende versetzt. Wie ein Restaurant auf dem Mond.«
»Oh, das meinen Sie. Ausgezeichnete Küche, aber keine Atmosphäre.«
Andrea kicherte. »Und wie lange sind Sie schon bei der Bancroft-Stiftung?«
»Ziemlich lange«, antwortete der Mann. Er stieg leicht über einige kleine Äste hinweg. Cordsamthose und feste Straßenschuhe, sah Andrea. Professorenhaft, aber elegant.
»Die Arbeit gefällt Ihnen wohl?«
»Sie hält mich davon ab, Dummheiten zu machen«, sagte der Mann.
Er schien es nicht eilig zu haben, ihre Meinungsverschiedenheit anzusprechen, aber Andrea fühlte sich bei dem Gedanken daran weiter unwohl. »Also«, sagte sie nach einer Pause, »habe ich mich lächerlich gemacht?«
»Sie haben Randall Heywood schlecht aussehen lassen, würde ich sagen.«
»Aber ich dachte …«
»Was haben Sie gedacht? Sie hatten absolut recht, Miss Bancroft. Ziehen, nicht schieben – so werden die Stiftungsgelder am wirkungsvollsten eingesetzt, wenn es um medizinische Forschung
geht. Mit Ihrer Analyse haben Sie die Sache auf den Punkt gebracht.«
Andrea lächelte. »Ich wollte, das würden Sie auch dem großen Boss erzählen.«
Ein fragender Blick des älteren Mannes.
»Ich meine, wann lerne ich Dr. Bancroft überhaupt einmal kennen?« Mit dem Aussprechen der Frage hatte sie bereits den Verdacht, einen Fauxpas begangen zu haben. »Okay, lassen Sie mich kurz zurückgehen – wer sind Sie gleich wieder?«
»Ich bin Paul.«
»Paul Bancroft.« Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag in die Magengrube.
»Ja, leider. Sicher eine gewisse Enttäuschung. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Miss Bancroft.« Um seine Lippen spielte ein kleines Lächeln.
»Andrea«, korrigierte sie ihn. »Ich komme mir wie eine richtige Idiotin vor, das ist alles.«
»Falls Sie eine sind, Andrea, brauchen wir mehr Idioten. Mir sind Ihre Anmerkungen außergewöhnlich scharfsinnig vorgekommen. Sie haben sich sofort von den braven Wiederkäuern, den distinguierten Grüblern um Sie herum abgesetzt. Einige von ihnen waren beeindruckt, würde ich sagen. Sie haben sich sogar gegen mich behauptet.«
»Dann haben Sie also den Advokaten des Teufels gespielt?«
»So würde ich’s nicht ausdrücken.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Der Teufel braucht keinen Advokaten. Nicht auf dieser Welt, Miss Bancroft.«
Sicherheitschef Jussuf Ali bog um eine Ecke des unbeleuchteten Korridors und suchte mit dem starken Lichtstrahl seiner Stablampe jeden
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