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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Winkel der Villa an der Via Angelo Masina ab. Auch jetzt würde es kein Nachlassen ihrer gewissenhaften Wachsamkeit geben. Vor allem jetzt nicht. Seit dem plötzlichen Ableben
ihres Herrn hatte es so viel Unsicherheit gegeben. Aber der neue Herr, das wusste er, war nicht weniger anspruchsvoll. Und die physische Sicherheit jeder Einrichtung war nicht höher als die Wachsamkeit, mit der sie inspiziert wurde.
    In dem kleinen Kontrollraum im rückwärtigen Teil des Erdgeschosses prüfte der Tunesier jetzt auf einem Monitor den Status der Sensoren, mit denen das Villengrundstück überwacht wurde. Die elektronischen Sensoren meldeten, sie befänden sich im »Normalzustand«, aber Jussuf Ali wusste recht gut, dass menschliche Beobachtung sich durch elektronische Überwachungsmethoden lediglich ergänzen, nie jedoch ersetzen ließ. Sein abendlicher Kontrollgang war noch nicht beendet.
    Unten im Keller entdeckte er dann etwas, das auf keinen Fall hätte sein dürfen. Die Tür der stanza per gli interrogatori stand einen Spalt weit offen. Licht fiel auf den Korridor, erhellte das Dunkel.
    Diese Tür hätte nicht offen stehen dürfen. Mit schussbereiter Pistole in der Hand ging Jussuf Ali auf den Vernehmungsraum zu, zog die schwere Tür ganz auf – sie glitt langsam auf geräuschlos laufenden Rollen zurück – und betrat den Raum.
    Im nächsten Augenblick erlosch das Licht. Ein kraftvoller Fausthieb schlug ihm die Pistole aus der rechten Hand, während ein Tritt in die Kniekehlen ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Wie viele Angreifer hatte er gegen sich? Die jähe Finsternis machte ihn so orientierungslos, dass er das nicht einschätzen konnte. Er wollte um sich schlagen, doch seine Hände waren bereits mit Handschellen gefesselt. Ein weiterer kräftiger Tritt, diesmal ins Kreuz, ließ den Wachmann endgültig zu Boden gehen.
    Dann schloss sich die Tür des Vernehmungsraums geräuschlos hinter ihm.
     
    »Okay, jetzt bin ich ernstlich verwirrt«, sagte Andrea Bancroft.
    Ein elegantes Schulterzucken. »Ich wollte nur sehen, ob Sie
sich behaupten, wenn Sie recht haben.« Die Spätnachmittagssonne ließ das graue Haar des Mannes silbern aufleuchten.
    »Ich kann’s nicht glauben … ich kann nicht glauben, dass ich hier mit dem Paul Bancroft spazieren gehe. Mit dem Menschen, der das Bayes’sche Netzwerk erfunden hat. Mit dem Bancroft, von dem Bancrofts Theorem stammt… o Gott, ich komme mir wieder wie eine kleine Studentin vor. Entschuldigen Sie bitte. Ich mache mich lächerlich. Ich bin ein Schulmädchen, das Elvis begegnet.« Andrea merkte, dass sie wieder rot wurde.
    »Elvis lebt nicht mehr, fürchte ich.« Paul Bancroft lachte, ein leises, melodisches Lachen, und sie bogen auf dem Schieferplattenweg nach rechts ab.
    Das Wäldchen ging in eine Wiese über, auf der Raigras und Schafgarbe und unbekannte Wildblumen aller Art, aber weder Disteln noch Kletten, weder Gifteiche noch Kreuzkraut wuchsen. Eine Wiese ohne Unkraut: Wie so vieles auf diesem Landsitz in Katonah wirkte sie mühelos natürlich, obwohl sie in Wirklichkeit das Ergebnis fleißiger, unsichtbarer Arbeit war. Perfektionierte Natur.
    »Diese Dinge, die Sie erwähnt haben – die kommen mir heute so vor, als hätte ich in den frühen Sechzigerjahren ein paar ins Ohr gehende Popsongs komponiert«, sagte Paul Bancroft nach einer Weile. »Als älterer Mann stelle ich fest, dass die wahre Herausforderung darin besteht, Grundregeln in die Praxis umzusetzen. Den Verstand einzuspannen, damit er dem Herzen dient … Theorien anzuschirren, um sie nützliche Arbeit leisten zu lassen.«
    »Damit sind Sie weit gekommen. Den Anfang haben Sie mit Ihrer utilitären Ethik gemacht. Mal sehen, ob ich sie richtig zusammenbringe: Handle so, dass du den größten Nutzen für die größte Anzahl von Menschen erzielst.«
    Ein leises Lachen. »Ja, so hat Jeremy Bentham sie in den Achtzigerjahren zusammengefasst. Soviel ich weiß, stammt diese Idee ursprünglich aus den Schriften des Wissenschaftlers Joseph Priestley
und des Moralphilosophen Francis Hutcheson. Die Leute vergessen allzu leicht, dass die heutige Wirtschaft im Prinzip kein anderes Ziel hat als den größtmöglichen Nutzen – also Glück für alle. Auf die Idee, Marshalls und Pigous Wohlfahrtsfunktionen auf die Axiome des Neo-Utilitarismus anzuwenden, hätte eigentlich jeder kommen können.«
    Andrea kämpfte darum, verschüttet Geglaubtes freizulegen: Wissen und Fähigkeiten, die man sich für Klausuren und Examen

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