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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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rasch aneignete, um sie ebenso rasch wieder zu vergessen. »Wenn ich mich recht erinnere, behauptet die Legende, Sie hätten das nach ihnen benannte Theorem als blutjunger Student formuliert. Eine Seminar- oder Semesterarbeit im zweiten Studienjahr, irgendwas in dieser Art. Stimmt das wirklich?«
    »Nun ja«, antwortete der kräftige Grauhaarige, auf dessen glattem Gesicht jetzt ein dünner Schweißfilm glänzte. »Ich war ein Frischling und clever genug, um es auszuarbeiten, aber nicht clever genug, um zu erkennen, dass es noch nicht tausendmal gesagt worden war. Damals waren die Probleme noch einfacher. Es gab Lösungen für sie.«
    »Und heute?«
    »Heute scheinen sie nur weitere Probleme aufzuwerfen. Wie russische Matroschkas. Ich bin siebzig, und wenn ich zurückblicke, fällt es mir schwer, diese gewissermaßen technische Cleverness so hoch zu schätzen, wie das andere tun.«
    »Aus Ihrem Mund klingt das fast wie ein Widerruf. Haben Sie dafür nicht die Fields Medal bekommen?« Die Fields Medal ist die höchste Auszeichnung für Mathematiker, gewissermaßen der Nobelpreis ihrer Disziplin. »Für frühe Beiträge zur Zahlentheorie, wenn ich mich recht erinnere. Sie waren damals noch am Institute for Advanced Study.«
    »Jetzt haben Sie wirklich erreicht, dass ich mein Alter spüre«, sagte ihr Begleiter grinsend. »Die Medaille habe ich irgendwo in einem Schuhkarton liegen. Ihre Inschrift stammt von dem römischen
Dichter Manilius: ›Die Grenzen des Geistes überwinden und sich zum Herrn des Universums aufschwingen.‹ Beklemmend.«
    »Und demütig machend«, fügte sie hinzu.
    Der Wind raschelte in den hohen Wiesengräsern, und Andrea lief ein kleiner Schauder über den Rücken. Die beiden gingen auf eine bemooste Steinmauer zu. Sie sah uralt aus – wie die Feldbegrenzungen, von denen die englischen Cotswolds kreuz und quer durchzogen waren.
    »Jetzt können Sie all diese Ideen von größtem Nutzen für die größte Anzahl von Menschen in die Praxis umsetzen«, fuhr sie fort. »Bei freier Verfügung über eine Stiftung muss das ziemlich einfach sein.«
    »Glauben Sie das wirklich?« Wieder ein schwaches Lächeln. Ein weiterer Test.
    Andrea machte eine Pause, dann gab sie eine ernste Antwort. »Nicht einfach, nein. Weil bei jedem Projekt die Kosten zu bedenken sind – was man mit den aufgewendeten Mitteln sonst hätte machen können. Und es stellt sich die Frage nach späteren Konsequenzen.«
    »Ich habe gleich gewusst, dass Sie etwas Besonderes haben, Andrea. Mehr als nur einen klugen Kopf. Wahre geistige Unabhängigkeit. Die Fähigkeit, Probleme selbstständig durchzudenken. Aber was Sie eben gesagt haben … damit haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Spätere Konsequenzen. Ungewollte Nebenwirkungen. Die lauern in allen ehrgeizigen philanthropischen Projekten. Tatsächlich ist das unser schwerwiegendstes Problem.«
    Andrea nickte nachdrücklich. »Niemand will der Kinderarzt sein, der dem kleinen Adolf Hitler das Leben gerettet hat.«
    »Genau«, antwortete Paul Bancroft. »Und das Bemühen, Armut zu lindern, kann manchmal neue Armut schaffen. Man pumpt kostenloses Getreide in ein Gebiet – und verdrängt die einheimischen
Bauern vom Markt. Im Jahr darauf bleibt die westliche Hilfe aus, und die Bauern, die von ihrem Saatgut leben mussten, sind auch nicht mehr da. Solche Fälle haben wir in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder erlebt.« Sein hellwacher Blick blieb auf sie konzentriert.
    »Und bei Krankheiten?«
    »Manchmal gibt es Therapien, die letztlich zur schnelleren Verbreitung von Infektionskrankheiten beitragen, indem sie lediglich ihre Symptome kurieren.«
    »Man will nicht der Arzt sein, der Typhus-Mary zwei Aspirin gibt, damit sie wieder in der Küche arbeiten kann«, sagte Andrea.
    »Mein Gott, Andrea, Sie sind für diese Aufgabe geboren. « Die Lachfältchen um seine Augen wurden tiefer, als Bancroft lächelte.
    Sie merkte, dass sie wieder errötete. Ein wiedergewonnenes Geburtsrecht – steckte das dahinter? »Ach, kommen Sie«, sagte sie rasch.
    »Ich meine nur, dass Sie ein besonderes Talent dafür haben, über solche Dinge nachzudenken. Ungewollte Konsequenzen treten in allen möglichen Formen und Größen auf. Daher muss die Bancroft-Stiftung immer fünf Züge vorausdenken. Weil jede Tätigkeit eine Wirkung hat, ja – und diese Wirkungen erzeugen Wirkungen. Die dann ihrerseits weitere Wirkungen auslösen.«
    Andrea spürte die Kraft eines gewaltigen Intellekts, der mit

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