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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Ansaris Verlies gewesen war. Frisch rasiert, tadellos gekleidet und nach einem teuren Rasierwasser duftend, entsprach er ganz der italienischen Vorstellung von einem höheren Beamten. Das konnte nützlich sein. Sogar Belknaps amerikanischer Akzent würde eher nützen, als ihn zu behindern; Italiener begegneten ihren Landsleuten reflexartig misstrauisch – meistens aus gutem Grund.
    Das Gespräch verlief nicht glatt.
    Ma non capisco! – Aber ich verstehe nicht!, wiederholte die Mutter des Mädchens, ein schwarz gewandetes altes Weib, immer wieder. Sie wirkte älter, aber auch kräftiger als die meisten Frauen ihres Alters. Das war vermutlich berufsbedingt, weil sie als Putzfrau arbeitete.
    Non c’è problema!, beteuerte der Vater, ein schmerbäuchiger Mann mit rauen, schwieligen Händen und dicken Fingernägeln. Es gibt kein Problem!
    Aber es gab ein Problem, das verstand die Mutter sehr gut – oder zumindest besser, als sie vorgab. Sie saßen zu dritt in dem düsteren Wohnzimmer, in dem es nach angebrannter Suppe und Schimmel roch. Der kalte Fußboden war wie zur Vorbereitung auf Fliesen, die jedoch nie geliefert worden waren, mit einem rauen, gleichmäßig grauen Estrich bedeckt. Die Lampen mit den 40-Watt-Birnen hatten angesengte, ausgefranste Stoff- und Pergamentschirme. Das Sofa und die beiden Sessel passten nicht zusammen. Die Zingarettis mochten eine stolze Familie sein, aber sie setzten ihren Stolz nicht in behagliches Wohnambiente. Lucias Eltern waren sich ihrer Schönheit, deren Verletzlichkeitspotenzial sie erkannten, offenbar recht gut bewusst; sie schienen darin einen Quell für das Herzeleid für ihre Tochter und sich selbst zu sehen. Sie bedeutete frühe Schwangerschaft, Komplimente und dann die Nachstellungen skrupelloser Männer. Lucia hatte
ihnen jedoch versichert, der Araber – sie nannten ihren Arbeitgeber nur l’Arabo  – sei strenggläubig und durch strikte Befolgung der Worte des Propheten diszipliniert.
    Und wo war sie jetzt?
    Bei dieser entscheidenden Frage schützten die Eltern des Mädchens Begriffsstutzigkeit, Verständnislosigkeit und Unwissenheit vor. Sie nahmen ihre Tochter in Schutz – weil sie wussten, was sie getan hatte? Oder aus einem anderen Grund? Belknap konnte ihren Widerstand nur überwinden, wenn er ihnen begreiflich machte, dass Lucia in Gefahr schwebte – und dass Freimütigkeit, nicht Ausflüchte, den besten Schutz für sie bedeutete.
    Das war ein hartes Stück Arbeit. Um Informationen zu erhalten, musste er vorgeben, Informationen zu besitzen, die ihm fehlten. Wieder und wieder erklärte er ihnen: Ihre Tochter ist in Gefahr. La vostra figlia è in pericolo . Aber sie glaubten ihm nicht – was bedeutete, dass sie in Verbindung mit ihr standen, dass Lucia ihnen versichert hatte, ihr gehe es gut. Wäre sie wirklich unerwartet verschwunden, hätten die beiden ihre Besorgnis nicht tarnen können. Stattdessen gaben sie vor, über ihren Aufenthaltsort im Ungewissen zu sein, und wichen in Unbestimmtheit aus: Sie hatte gesagt, sie werde verreisen; das hatte sie nicht näher erklärt, aber vielleicht musste sie für ihren Arbeitgeber verreisen. Nein, sie wussten nicht, wann sie zurückkommen würde.
    Lügen. Erfindungen, wie die Leichtigkeit bewies, mit der sie erzählt wurden. Unerfahrene glaubten, Lügner verrieten sich durch ihre Angespanntheit, ihre Nervosität; Belknap dagegen wusste, dass sie sich ebenso oft durch ihren Mangel an Nervosität verrieten. Das war der Fall bei Signor und Signora Zingaretti.
    Belknap ließ einen langen Augenblick verstreichen, bevor er ihnen erneut zusetzte. »Sie hat sich bei Ihnen gemeldet«, sagte er. »Das wissen wir. Sie hat Ihnen versichert, alles sei in bester Ordnung. Sie glaubt, alles sei in bester Ordnung. Aber sie
täuscht sich. Sie ahnt nicht, dass sie in unmittelbarer Gefahr schwebt.« Er machte eine rasche Bewegung, als schneide er sich die Kehle durch. »Ihre Feinde sind erfinderisch, und sie lauern überall.«
    Der wachsame Blick der Zingarettis zeigte ihm, dass sie diesen amerikanischen Eindringling als potenziellen Feind betrachteten. Er hatte ein leichtes Zögern bewirkt, eine gewisse Besorgnis erweckt, die zuvor nicht vorhanden gewesen war; trotzdem waren sie noch keineswegs überzeugt. Aber zumindest war im Steinwall ihrer angeblichen Ahnungslosigkeit ein erster kleiner Riss sichtbar.
    »Lucia hat Ihnen gesagt, Sie sollen sich keine Sorgen machen«, begann er nochmals, indem er seine Worte ihren Mienen

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