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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Menschen. Was würdest du tun?«
    »Die Weiche umstellen«, sagte Andrea.
    »Und fünf Menschenleben retten. Trotzdem hast du dann bewusst und vorsätzlich eine Straßenbahn so umgelenkt, dass sie einen Menschen überrollen und töten muss. In gewisser Weise hast du einen Mord verübt. Hättest du dagegen nichts getan, wärst du an keinem der fünf Tode mitschuldig. Deine Hände wären sauber.« Er sah auf. »Nuala, Sie haben sich wieder einmal selbst übertroffen«, sagte er, als die rotwangige Irin eine weitere Schüssel Wildreis auftrug.
    »Deiner Ansicht nach ist das eine Art Narzissmus«, sagte Andrea langsam. »Saubere Hände, vier Menschenleben unnütz geopfert  – ein schlechter Deal. Ja, ich verstehe, was du meinst.«
    »Was wir empfinden, wird dadurch gesteuert, was wir denken. Leidenschaft muss sozusagen vernünftig bleiben. Manchmal ist die edelste Tat ausgerechnet die, die am meisten abstößt.«
    »Ich fühle mich, als säße ich wieder als Studentin in einem Seminar.«
    »Kommen diese Fragen dir rein akademisch vor? Lediglich theoretisch? Dann will ich sie für dich real machen.« Paul Bancroft wirkte gnomenhaft wie ein Mann, der eine Überraschung in der Tasche hat. »Was wäre, wenn du zwanzig Millionen Dollar zur Hebung des moralischen Niveaus unserer Spezies hättest?«
    »Wieder nur eine Spekulation?« Andrea gestattete sich ein halbes Lächeln.
    »Eigentlich nicht. Diesmal spreche ich nicht mehr hypothetisch. Ich möchte, dass du bis zur nächsten Sitzung des Stiftungsrats ein bestimmtes Anliegen oder Projekt benennst, Andrea, für das du zwanzig Millionen Dollar ausgeben möchtest. Arbeite einen Plan aus, wie und wofür das Geld verwendet werden soll, und wir geben es dafür aus. Direkt aus meinem Verfügungsfonds. Ohne Diskussion, ohne Verweisung an irgendeinen Ausschuss. Dieses Geld wird allein auf deinen Vorschlag hin ausgegeben.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    Brandon musterte sie von der Seite aus. »Dad macht selten Witze«, erklärte er ihr. »Glaub mir, er ist kein Witzbold.«
    »Zwanzig Millionen Dollar«, wiederholte Paul Bancroft.
    »Wofür ich will?«, fragte Andrea ungläubig.
    »Wofür du willst.« Das vom Alter gezeichnete Gesicht des Gelehrten war jetzt ernst. »Wähle klug«, riet er ihr. »Täglich, stündlich gerät irgendwo eine Straßenbahn außer Kontrolle. Aber du hast nicht nur die Wahl zwischen zwei Gleisen, sondern musst zwischen tausend oder zehntausend wählen – und wohin sie führen, ist keineswegs klar. Um unsere Wahl zu treffen, müssen wir unsere ganze Intelligenz, unser gesamtes Urteilsvermögen aufbieten. Und anschließend das Beste hoffen.«
    »Aber es gibt so viel Unbekanntes!«
    »Unbekanntes? Oder nur teilweise Bekanntes? Unvollständiges Wissen ist nicht das Gleiche wie Unwissenheit. Es ermöglicht immerhin Entscheidungen, die zum Teil auf Fakten basieren. Entscheidungen, die getroffen werden müssen. « Sein Blick ruhte stetig auf ihr. »Wähle also klug. Du wirst merken, dass es nicht immer leicht ist, das Rechte zu tun.«
    Andrea Bancroft fühlte sich benommen, fast schwindlig, und das kam nicht vom Wein. Wie viele Menschen hatten jemals eine Chance bekommen, auf einen Schlag so viel zu bewirken? Sie brauchte nur mit den Fingern zu schnippen, um das Leben von Tausenden von Menschen zu verändern. Das kam ihr … fast gottähnlich vor.
    Brandons Stimme riss sie aus ihrem Tagtraum. »Jo, Andrea, wie wär’s mit ’nem weiteren kurzen Spiel nach dem Essen?«

ROM
    Mit seinem Labyrinth aus mittelalterlichen Straßen, die der Bauwut des 19. Jahrhunderts und der Umgestaltung des Stadtzentrums weitgehend entgangen waren, verkörperte Trastevere – das Viertel westlich des Flusses Tiber – für viele das wahre Rom. Schmutz plus Alter ist gleich Distinktion – war das die hier gültige Formel? Trotzdem gab es viele Winkel, in denen die steigende Flut neuen Geldes nur Treibgut angeschwemmt hatte. In einem dieser Winkel, in einer düsteren Seitenstraße, lag die Erdgeschosswohnung, in der die junge Lucia Zingaretti bei ihren Eltern gelebt hatte. In dem Sinn, dass sie ihre Vorfahren mehrere hundert Jahre weit zurückverfolgen konnten, waren die Zingarettis eine alte Familie. Aber diese Vorfahren waren stets nur Dienstboten und Untergebene gewesen. Das war Tradition ohne Großartigkeit, Abstammung ohne Geschichte.
    Der Todd Belknap, der in der Via Clarice Marescotti 14 eintraf, hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem Mann, der erst vor wenigen Stunden in

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