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Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)

Titel: Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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einem Roman von Jules Verne: Aus dem arabischen Sand sprossen riesige Strukturen aus Glas und Stahl, deren sanft gerundete Umrisse an Raumschiffe erinnerten. Alte Suks drängten sich im Schatten weitläufiger neuer Einkaufszentren zusammen; Daus und Abras lagen zwischen großen Frachtern und Kreuzfahrtschiffen; auf überfüllten Straßenmärkten wurden DVD-Player und Playstations neben Teppichen, Lederwaren und Silberschmuck verkauft. In Dubai gab es alles – nur keine Hausnummern. Stand ein Gebäude beispielsweise in der Scheich-Sàid-Straße, trug es auf dem amtlichen Stadtplan eine Nummer. Die Post wurde nicht nach Hausnummern, sondern nach Postfächern zugestellt. Auf dem Dubai International Airport, dessen Fläche größer als das Stadtzentrum war, nahm Belknap sich ein beigefarbenes Taxi und erklärte sich bereit, auch für die drei leeren Sitze zu bezahlen, weil der Fahrer wortreich darauf bestand.
    Der Mann, anscheinend ein Pakistaner, trug eine landesübliche rot-weiß karierte Kaffijah, die an die Tischdecken in einem altmodischen italienischen Restaurant erinnerte, und rasselte eine Anpreisung nach der anderen herunter. Sein wichtigstes Ziel musste er unterwegs dreimal nennen, bevor Belknap ihn verstand: »Wollen Sie nicht den Wild Wadi Waterpark besuchen?« Das war offenbar eine Touristenattraktion mit fünf Hektar Wildwasserfahrten, und der Fahrer bekam vermutlich eine Prämie, wenn er Besucher hinlotste.
    Wegen der Backofenhitze und der erbarmungslos herunterbrennenden Sonne fühlte sich Belknap wie auf einem von Natur aus lebensfeindlichen Planeten, auf dem man sich von einer sauerstoffreichen Zelle zur nächsten bewegen musste. Tatsächlich schienen die meisten hiesigen Bauten nur den Zweck zu haben, ein völlig künstliches Ambiente zu schaffen: eine Oase aus Freon und Stahl und polarisiertem Glas. Dubai war eine Stadt der Portale. Zugleich wirkte sie eigenartig verschlossen, wenn man keine Luxuswaren kaufen oder in Luxushotels logieren wollte. Je nachdem, mit welcher Absicht man herkam, fand man hier tausend rote Teppiche oder tausend verschlossene Türen vor. In Rom lieferte Gianni Mattucci ihm die Adresse, die zu der Nummer gehörte, von der aus die junge Italienerin telefoniert hatte. In Dubai stellte Belknap fest, dass sie zu keinem Hotel oder Apartmenthaus, sondern zu einem kommerziellen Verteilzentrum gehörte, das für die Post der umliegenden Luxushotels am Strand zuständig war.
    Wäre das sanfte Blau des Persischen Golfs nicht gewesen, hätte er im Sommer in Las Vegas sein können: auch hier überall protzig zur Schau gestellter Reichtum, glatter Pop-Modernismus in den Neubauten, die Maßlosigkeit menschlicher Gier durch Architektur ausgedrückt. Und trotzdem lebten in echten Wadis und Schluchten ganz in der Nähe Korangelehrte, die nach einer globalen ummah und dem Sturz des US-Imperiums strebten. Dubai existierte für die Genüsse von Ausländern in einem Wüstenland, das leidenschaftlich von ihrer Demütigung träumte. Seine scheinbare Heiterkeit war vergänglich wie ein Regenbogen.
    »Keinen Wild Wadi Waterpark«, knurrte Belknap warnend, als der Fahrer anscheinend eine weitere Touristenfalle anpreisen wollte. »Keine Dubai Dinner Cruise. Kein Dubai Desert Class Golf. Nein.«
    »Aber, Sahib …«
    »Und nennen Sie mich nicht ›Sahib‹. Ich bin kein Oberst aus einer Story von Kipling.«
    Der Taxifahrer ließ ihn widerstrebend vor dem kleinen Postverteilzentrum aussteigen. Belknap stieg aus, spürte die schiere Hitze wie einen Schlag vor den Kopf und beugte sich noch mal in den Wagen. »Sie warten hier«, wies er den Fahrer an und drückte ihm einen Packen rosa-blauer Dirham, der hiesigen Währung, in die Hand.
    »Ich nehme auch Dollar«, sagte der Mann hoffnungsvoll.
    »Natürlich nehmen Sie die. Ist das nicht der Daseinszweck von Dubai?«
    Der Gesichtsausdruck des Fahrers wirkte plötzlich verschlagen. Belknap fühlte sich an ein arabisches Sprichwort erinnert: Versuche nie, zu erfahren, was das Kamel vom Kameltreiber denkt. »Ich warte«, sagte der Mann.
    Das Verteilzentrum war ein weiß gestrichener niedriger Betonwürfel, dessen einzige Öffnung der mit einer Stahlgittertür gesicherte Eingang war. Hier ging es nicht um Überbauung, sondern um Infrastruktur: Dies war eines der Gebäude, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, sondern ihr dienen sollten. Das Zentrum erhielt Sendungen für die zahllosen Postfächer und verteilte sie entlang der schmalen

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