Die Bancroft Strategie: Roman (German Edition)
sagte der Fahrer. »Sie werden einen Mordsspaß haben.« Sein breites Lächeln ließ Zahnlücken und von Khat verfärbte Zähne sehen.
Sie nahmen eine Abkürzung durch einen Fischmarkt, auf dem Gastarbeiter in türkisgrünen Kitteln mit roboterhaft gleichmäßigen Bewegungen Fische ausnahmen, und erreichten wieder die Scheich-Sàid-Straße, an der riesige glitzernde Gebäude standen: ein mit Glas verkleideter Leviathan nach dem anderen. Das Palace gehörte zu den neuesten und sonderbarsten von ihnen. Sein »Schwanz« diente als Vordach über dem Eingang, und während das Taxi in diskreter Entfernung wartete, betrat Belknap die Hotelhalle mit großen Schritten wie ein Mann, der einen Auftrag zu erfüllen hat.
Was nun? Das Hotel Palace hatte vermutlich über siebenhundert Zimmer. Obwohl die Anrufe der jungen Italienerin über eine zentrale Vermittlung hinausgegangen waren, speicherte das Hotel die Verbindungsdaten aller von hier aus geführten Gespräche. Aber die Hotelmanager würden von ganz anderem Kaliber sein als der Mann in dem kleinen Postverteilerzentrum; sie waren den Umgang mit Fremden gewöhnt, legten größten Wert auf Diskretion und wussten genau, was die Behörden von ihnen verlangen durften.
In der Hotelhalle sah er sich um, verschaffte sich rasch einen Eindruck von seiner Umgebung.
In der Mitte der riesigen Halle stand ein großes, blau getöntes Aquarium. Statt exotischer Fische enthielt es eine spärlich bekleidete Seejungfrau mit Fischschwanz und wasserfestem Klebe-BH, die zu klimpernder New-Age-Musik langsame Kreise schwamm. Ihre disziplinierten Bewegungen waren so choreografiert, dass sie träge und zufällig wirkten; sie atmete in regelmäßigen Abständen aus einer seegrasgrünen Luftleitung. Hätte sich jemals ein
islamischer Fundamentalist in die Hotelhalle verirrt, würden sich seine schlimmsten Vorstellungen von westlicher Dekadenz bestätigen. Aber das war äußerst unwahrscheinlich. Diese Enklave war Teil einer Welt, zu der auch Cap d’Antibes, East Hampton, Positano und Mustique gehörten. Sie alle waren wirkliche Nachbarn. Eine Enklave wie das Palace hatte mit dem als Naher Osten bezeichneten geopolitischen Territorium nur seine zufällige Lage gemein. Das Hotel war von Architekten aus London, Paris und New York entworfen worden; sein Küchenchef war ein Spanier mit internationalem Ruf; sogar die Portiers und das Personal am Empfang waren Briten, die natürlich alle großen europäischen Sprachen beherrschten.
Belknap nahm in einer Ecke der Hotelhalle auf einem dunkelblau gepolsterten Zweiersofa Platz und klappte sein Handy auf, um zu telefonieren – diesmal wirklich. Die Verbindung kam sekundenschnell zustande. Er konnte sich noch erinnern, wie Überseegespräche früher unweigerlich verrauscht und verzerrt geklungen hatten, als könne man die Meeresströmungen mithören, in denen die Kabel verlegt waren. Heutzutage war die Verbindung von einem reichen Land zum anderen kristallklar – tatsächlich sogar besser als bei einem Ortsgespräch in Lagos. Matt Gomes’ Stimme war gleich erkennbar, und Gomes wusste sofort, wer der Anrufer war.
»Wie man hört«, sagte der jüngere Agent, »hast du dich auf ein Wettpissen mit Wild Bill Garrison eingelassen. Wenn so was passiert, denken wir anderen, dass es regnet.«
»In jedes Leben muss etwas Regen fallen«, antwortete Belknap. »Genau wie Pat Boone gesungen hat.«
»Pat Boone? Wie wär’s mit den Ink Spots, mein Bruder?«
»Du musst mir einen Gefallen tun, kleiner Mann«, sagte Belknap, während er die Hotelhalle im Auge behielt. In dem breiten, nicht sehr tiefen Aquarium drehte die Seejungfrau weiter ihre demonstrativ trägen Runden, wobei sie zweifellos ihren
Stundenlohn im Kopf zusammenzählte. Ihr glückseliges Lächeln begann angestrengt zu wirken.
»Alle Gespräche können zur Qualitätssicherung überwacht werden«, sagte Gomes, eine beiläufige Warnung.
»Weißt du, wie viele Jahre digital aufgezeichneter Gespräche sie schon angesammelt haben? Aufzeichnen ist einfach, weil das automatisch geht. Aber angehört wird nur ein winziger Bruchteil, weil’s dafür nicht genügend Personal gibt. Ich riskiere einfach, dass niemand sich speziell für dich interessiert.«
»Wer riskiert dabei mehr – du oder ich?«
»Du sollst nur tun, was Pat Boone getan hat: mir Deckung geben.«
»Kannst du mir versichern, dass ich damit strikt im Rahmen eines offiziell genehmigten Unternehmens handle?« Das schien Gomes augenzwinkernd
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