Die Bank im Park
rechten Trumpf im letzten, alles entscheidenden Moment wirft.«
Er überflog die Namen auf einem Blatt und pfiff dabei einige Male durch die Zähne.
»Parbleu, das ist eine Ernte!« freute er sich. »Der Polizeipräfekt von Paris, der Comte de Ligny, der Kammerherr des Königs selbst und der Herzog von Choiseul. Und hier …« er tippte mit dem Finger auf die Stelle, »… hier sollte vielleicht gerade der Name des Mannes kommen, den wir hauptsächlich suchen, der Name unseres großen Gegenspielers. Buron schrieb: ›Herzog von …‹, dann kommt ein halber runder Strich – in diesem Augenblick, im letzten, traf ihn der Dolch. ›Herzog von …‹ Meine Herren, unser Feind steht nicht weit von der Krone. Der halbe runde Strich regt mich zu einem Verdacht an. Er könnte leicht zu einem ›O‹ und damit zu einem ›Orléans‹ vollendet werden. Wenn das zutrifft … mon Dieu …«
Der Kommandant verstummte kurz und schloß dann: »Der Dauphin soll entscheiden!«
Anschließend wurden einige Gardisten gerufen, denen gesagt wurde: »Die Leiche kommt ins Schloß des Dauphins. Dort wird auch über das Begräbnis verfügt.«
Der Kommandant rief: »Comte de Fougère!«
»Marquis?« Ein junger Offizier trat aus der Reihe vor.
»Hier, ich übergebe Ihnen diese Liste. Ich selbst habe noch einen Ritt nach Neuilly vor. Ihr bringt die Liste sofort zum König und haftet mir mit Eurem Leben für sie. Nehmt eine starke Eskorte mit, es könnte sein, daß man Euch daran hindern möchte, Eure Mission zu erfüllen.«
»Sehr wohl, Marquis.«
»Und wir, meine Herren – auf die Pferde! Hier kamen wir zu spät. Beim Chartier möchte ich das nicht noch einmal erleben, dies um so mehr nicht, als es gilt, ihn am Leben zu erhalten und nicht zu töten. Auf die Pferde also!«
Den lac supérieure entlang ritt die schwarze Kavalkade. Die vielen Trauerweiden in den Gärten wisperten im schwachen Morgenwind. Tautropfen glitzerten an den Blättern der Büsche und Bäume.
Durch den Jardin d'Acclimatation jagten die Rosse, Sand und Steine hinter sich aufwirbelnd, und einer dieser Steine fiel mit hartem Laut auf eine Bank im Park, auf der Alain Chartier vom Kuß des Falters geträumt hatte.
Durch das Schilf des Sees zog in der morgendlichen Stille sachte der erste schwarze Schwan.
VI
Schräg gegenüber der Église Notre Dame, jenseits der Seine-Insel, die der Pariser Île de France nennt, trabte in der fahlen Morgendämmerung ein dicker, kleiner Reiter, der sich oft mit seinem wurstartigen Zeigefinger zwischen Hals und Spitzenkragen fuhr, da er sogar in dieser morgendlichen Kühle nicht das Schwitzen unterdrücken konnte. Die Ursache nannten die Ärzte zwar Herzverfettung, doch der Herr Präfekt ließ das nicht gelten und hoffte, nach dem Aufstand Zeit genug zu haben, um seine schweißtreibenden Drüsen tief im Süden an der schäumenden Biskaya etwas zu kurieren.
Sorglos, ohne Ahnung von den nächtlichen Begebenheiten, trabte er die heutige Rue de Rivoli hinab und inspizierte an den Ecken die vor Schreck erstarrten Posten seiner Polizei, denn in den Zeiten, da der Krieg mit England und der Schweiz noch schwelte, zogen aus dem Wirrwarr dunkle Elemente ihren Nutzen. Der Präfekt hielt auf strenge Ordnung und ließ alle Plätze bewachen, die für Paris von Wichtigkeit waren.
Kurz vor dem heutigen Place de la Concorde, der damals eine weite, unbebaute Fläche war, auf welcher der Herr Präfekt die Polizei zum Appell versammelte, holte den dicken Reiter ein Gaul ein, der vom Diener des Präfekten bis aufs Blut gespornt und angetrieben worden war.
»Herr!« schrie der Diener. »Herr, die Wachen sind bei Euch!« Dann fiel er fast vom Pferd, rutschte herunter und lehnte sich an die Flanke des zitternden Gaules.
Der schwitzende Präfekt, der an den Süden gedacht hatte, mußte erst den Diener eine Weile anstarren, bis er begriff, daß diese Meldung gleichbedeutend war mit seinem Tod. Mit einem Satz, den ihm niemand zugetraut hätte, sprang er von seinem Pferd, riß den Diener an dessen Rockaufschlägen nah an sich heran und brüllte so laut, daß die fette Stimme grell sich überschlug: »Die Wache? Welche Wache?«
»Von der Königsgarde.«
»In meinem Haus? Was wollten sie? Sprich, Kerl, sprich!«
»Sie suchten Euch. Sie traktierten uns, die Dienerschaft, mit Fragen, wo Ihr heute wart, ob Ihr Besuche empfangt, ob Ihr den Comte de Buron als Freund betrachtet, ob –«
»Genug!« Der bebende Präfekt saß wieder auf dem Pferd und ließ es
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