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Die Bank im Park

Die Bank im Park

Titel: Die Bank im Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ahnt noch nicht das Unglück, das der Kuß ihm bringt!«
    »Wer küßte mich?«
    Entsetzt fuhr Jeanette herum und hielt die Hand vor ihren Mund, um nicht grell aufzuschreien. Hinter ihr stand, blutüberspritzt, mit bloßer, feuchter Brust, mit flackernden Augen blaß und schmal Chartier, stützte sich mit der Hand an den Türpfosten und starrte Bréguérac, Jeanette und die Uniformierten an, als sähe er in ihnen fremde, traumgeborene Wesen. So ergreifend war der Anblick des vom Tode gezeichneten Mannes, daß selbst der nach Rang und Namen hoch über ihm stehende Kommandant der Garde den Hut vom Kopf nahm und stumm dem Dichter in die glühenden Augen sah.
    Mit langsamen, unsicher tappenden Schritten trat Chartier ins Freie, schloß mit der linken Hand das Hemd über der Brust, als schäme er sich vor den Offizieren, warf seine wirren Haare durch eine schnelle Kopfbewegung in den Nacken und wischte mit der Rechten eine kleine Kruste hellrot erstarrten Blutes aus dem Mundwinkel. Und plötzlich flog ein Lächeln über seine fahlen, fast zerstörten Züge.
    »Die Dauphine hat mich geküßt? Das muß gewesen sein, als ich schlief. Und ich träumte von einem Falter.«
    Chartiers Lächeln verschwand, und er wandte sich direkt an den Kommandanten.
    »Seid Ihr nicht der Marquis de Bréguérac?«
    »Ihr kennt mich?«
    »Wer kennt Euch nicht? Ihr seid der Kommandant der Garde!«
    »Ich komme im Auftrag des Dauphins.«
    Chartier mußte sich nun vor Schwäche mit seiner ganzen Gestalt an den Türpfosten lehnen.
    »Will der um einen Kuß betrogene Gatte«, fragte er müde, »mich für einen Traum zerreißen lassen? Will er, daß ich gerädert werde?«
    Der Dichter zuckte lethargisch die Achseln und trat ins Haus.
    »Ich ziehe nur die Jacke an. Es ist kühl, bis die Sonne eines neuen Tages aufgeht. Erlaubt, daß ich wenigstens nicht mehr friere, ehe sich die Folterknechte meiner annehmen.«
    »Ihr seid befallen von einem einzigen großen Irrtum!« Der kopfschüttelnde Marquis trat an der weinenden Jeanette vorbei auch ins Haus und blieb unter der im Luftzug wie immer hin und her schwingenden Ampel stehen. »Der Dauphin sendet Euch ein Schreiben. Hier ist es. Ich kenne den Inhalt nicht, aber eines ist sicher: Der Dauphin will nicht das von Euch, was Ihr befürchtet. Einem Manne, dessen Leben er fordert, schickt er nicht einen Brief, noch dazu durch mich!«
    Baß erstaunt nahm Chartier den versiegelten Umschlag entgegen, während der Marquis seine Erläuterungen noch fortsetzte, indem er sagte: »Der Brief ist nicht mehr ganz neu, er mußte einige Zeit liegen bleiben. Die Gründe sind: Erstens haben sich gewisse Ereignisse angekündigt, die uns voll und ganz in Anspruch nahmen; wir kamen plötzlich dahinter, daß der Staat auf dem Spiele stand. Und zweitens wart Ihr über Nacht verschwunden und mußtet erst wieder ausfindig gemacht werden. Wie ich mir jetzt aber denken kann, war dafür Euer Krankheitsanfall verantwortlich, der Euch wohl hierher verschlagen hat.«
    Alain Chartier nickte müde.
    Hier stinkt's, dachte der Hochadelige angewidert. Hoffentlich komme ich bald wieder raus hier, sonst wird mir übel. Wann geruht er endlich, den verdammten Brief zu lesen?
    Langsam öffnete Chartier den Umschlag, nachdem die Kraft seiner Finger fast nicht gereicht hätte, das Siegel zu erbrechen. Dann begann er zu lesen.
    Der Marquis betrachtete ihn dabei. Ich habe es mit einem Toten zu tun, sagte er sich. Der Dauphin ahnt nicht, mit wem er sich da in Verbindung setzte. Und die Dauphine, wo hatte sie ihre Augen, ihren Geschmack, als sie den küßte?
    Die Ampel ruhte nicht. Der Marquis griff nach ihr und hielt sie fest, da ihn ihr Pendeln maßlos reizte.
    Unheimlich still war es in der düsteren Kammer. Auch von draußen kam kein Ton herein. Dort standen die Offiziere und lauschten, ebenso wie Jeanette, ins Haus hinein. Nur ein Knistern der Kerze in der Ampel wurde ab und zu vernehmbar.
    »Mon cher ami, ich liebe Dichter, die von Königsküssen träumen, denn maßlos ist die Kunst allein im Unterbewußten. Man soll die Sonne loben, ohne Drang, sie zu besitzen.«
    Mit leiser Stimme, die trotzdem plötzlich überlaut den stillen Raum erfüllte, hatte Alain Chartier den Nachsatz des Dauphins vorgelesen, und der Marquis, der in Wahrheit ein ungebildeter, den Künsten keineswegs zugetaner Mann war, wunderte sich über einen solch königlichen Blödsinn.
    Chartier blickte auf, in maßloser Verwunderung, als sei ihm eines der Welträtsel verkündet

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