Die Bank
nur noch mehr auf Charlie konzentrieren. Er ist nebenan und steht DeSanctis ganz allein gegenüber. Das einzige, was mich daran hindert, ihm zu helfen, ist diese Frau, die sich Gillian genannt hat.
Ich spanne meine Waffe. »Geh mir aus dem Weg!«
»Warum fangen wir nicht mit den Bändern an …?«
»Ich sagte, geh mir aus dem Weg!«
»Nicht, bis wir die …«
»Mein Bruder ist da drin, Gillian. Ich bitte dich nicht noch einmal.« Meine Waffe zielt direkt auf ihre Brust. Mein Finger schmiegt sich auf den Abzug. Ich war sicher, daß meine Hand zittern würde, aber das tut sie nicht.
»Das Drama ist zu Ende, Oliver. Ich meine, glaubst du wirklich, ich würde dir abkaufen, daß du mich erschießen könntest?«
Es ist eine einfache Frage. Er ist mein Bruder. »Du kennst mich wirklich gar nicht, stimmt’s?« frage ich sie. Ich warte nicht auf eine Antwort, senke den Arm, ziele auf ihr Knie und gebe einen Schuß ab.
Die Waffe feuert mit einem hellen Blitz und einem scharfen Zischen. Doch statt zu schreien oder zu Boden zu fallen, steht Gillian einfach nur da, ein überhebliches Grinsen auf dem Gesicht. Verwirrt schaue ich die Waffe an, die nur ein paar Zentimeter von ihrem Knie entfernt war. Ich drücke erneut ab. Die Waffe geht mit einem lauten Knall los, und erneut bleibt Gillian unverletzt.
»Hast du noch nie was von Platzpatronen gehört?« meint sie selbstgefällig. »Sie klingen und riechen echt, aber selbst wenn du dir die Waffe an den Kopf hältst, versengst du dir nur ein bißchen die Schläfe.«
Platzpatronen? Mein Blick gleitet über die Waffe und dann wieder zurück zu Gillians verächtlichem Grinsen.
»Um ehrlich zu sein, hat es mich ziemlich gewundert, daß du so lange gebraucht hast, es herauszubekommen«, fährt sie fort.
Aber das kann nicht sein. Die ganze Zeit … Die Waffe gehört nicht einmal uns. Wir haben sie Gallo in New York abgenommen. Nachdem er …
Links von mir nähert sich ein neuer Schatten durch das offene Garagentor des Lagerhauses. Als Gallo sagte, er hätte Hilfe in der Bank gehabt, habe ich die ganze Zeit angenommen, es habe sich dabei um Lapidus oder Quincy gehandelt. Ich wäre trotz meines Zweifels nie auf ihn gekommen. Ich drehe mich um, als er hereinkommt. Allein sein Anblick versetzt mir einen heftigen Schlag in den Magen.
»Was liegt an?« fragt Shep mit seinem Boxergrinsen. »Du siehst aus, als würdest du ein Gespenst sehen!«
82. Kapitel
»Bei Pecos Bill ist alles klar«, quäkte eine Stimme in Joeys Funkgerät, während sie sich den Weg durch die Menge des Wilden Westens bahnte.
»Das gleich gilt für Country Bear«, meinte eine andere Stimme unter statischem Krachen.
Joey hielt sich zwischen den Touristen auf der Straße versteckt, während zwei Kerle mit sauber ausrasiertem Nacken auf die Veranda von Pecos Bills Café traten. Zwei weitere tauchten aus dem Country Bear Jamboree auf. Sie hatten den gleichen Gang, kraftvoll und entschlossen, aber nicht zu schnell. Genau so, daß sie nicht auffielen. Das gehörte alles zum Training. Niemals die Gäste in Panik versetzen.
Aus den Augenwinkeln sah Joey einen Mann und eine Frau durch die Menschenmenge gehen. Sie trugen keine Uniformen, aber Joey erkannte an ihrem Gang, daß auch sie zu den Sicherheitskräften gehörten. Innerhalb von Sekunden bewegten sich die drei Gruppen in verschiedene Richtungen davon. Sie untersuchten die umliegenden Restaurants, die Geschäfte und die Attraktionen.
»Wir nehmen uns die Piraten vor«, sagte eine weibliche Stimme im Funkgerät, als der Mann und die Frau um die Ecke bogen und zu den Piraten der Karibik marschierten.
Joey steckte mitten in der Menge, folgte den beiden jedoch nicht. Dafür waren Charlie und Oliver viel zu clever. Es war eine Sache, in einer Menschenmenge unterzutauchen, aber etwas ganz anderes, möglicherweise in eine Sackgasse zu laufen, zum Beispiel in ein Restaurant oder zu einer beliebten Attraktion. Joey wandte langsam den Kopf und schaute sich prüfend um. Überlaufene Souvenirläden, Kioske und ein nicht enden wollender Strom von Touristen. Der einzige ruhige Punkt in dem ganzen Hurrikan lag weiter vorn, wo ein Holztor den Weg absperrte. Joey beobachtete es und konnte einfach ihre Augen nicht davon losreißen. Der Disney-Sicherheitsdienst war vollends damit beschäftigt, die zahlenden Gäste zu beschützen. Aber, wenn Charlie und Oliver noch auf der Flucht waren, konnten sie es nicht riskieren, in der Öffentlichkeit zu bleiben. Sie brauchten einen
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