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Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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Alle tragen Mäntel oder dicke Jacken. Die meisten starren auf irgendwelche Seiten, ein paar widmen sich ihren Freisprecheinrichtungen, und einer hebt hastig das Wall Street Journal vor sein Gesicht, als ich mich umdrehe.
    Ich verrenke mir fast den Hals, um einen Blick auf seine Schuhe oder die Hose erhaschen zu können, auf irgend etwas, das mir einen Anhaltspunkt liefern könnte, doch mitten zur dicksten Rush Hour ist das Gedränge einfach zu groß. Da ich keine Lust verspüre, etwas zu riskieren, gehe ich ein Stück weiter und lege einen Sicherheitsabstand zwischen mich und dem Mann mit dem Journal . In letzter Sekunde drehe ich mich um. Mittlerweile sind noch mehr Pendler dazugekommen, aber kaum jemand bewegt sich. Bis auf den Mann, der erneut, wie in einem schlechten Spionagefilm, die Zeitung vor sein Gesicht hebt.
    Schnapp nicht über! ermahne ich mich, aber noch bevor mein Verstand das akzeptieren kann, rumpelt es leise. Der Zug kommt. Er orgelt in die Station ein, und der Luftzug weht mein Haar durcheinander. Ich streiche es mit den Fingern glatt, gehe zu dem nächsten Waggon und werfe einen letzten Blick über den Bahnsteig. Alle sieben Meter drängelt sich eine kleine Menschentraube vor einer offenen Tür. Ich weiß nicht, ob er schon drin ist oder aufgegeben hat, jedenfalls kann ich den Mann mit dem Journal nicht mehr sehen.
    Ich zwänge mich in einen ohnehin schon überfüllten Wagen der Subway, wo ich zwischen einer lateinamerikanisch wirkenden Frau in einer dicken, grauen Skijacke und einem kahlköpfigen Mann in einem leuchtenden Regenmantel stehe. Auf dem Weg aus der Stadt leert sich der Wagen allmählich, und es werden tatsächlich ein paar Sitzplätze frei. Als ich in Richtung Bleecker umsteige und in der Broadway-Lafayette in den D-Train umsteige, sind all die City-Modepüppchen mit ihren schwarzen Schuhen, schwarzen Jeans und schwarzen Lederjacken ausgestiegen. Das hier ist zwar nicht der letzte Halt auf dem Weg nach Brooklyn, aber es ist die letzte coole Station.
    Ich genieße den freien Raum in dem Waggon und lehne mich an eine Metallstange. Zum ersten Mal, seit ich das Büro verlassen habe, komme ich wirklich zu Atem. Jedenfalls bis ich sehe, wer da am anderen Ende des Wagens auf mich wartet. Der Mann, der sich die ganze Zeit hinter dem Wall Street Journal versteckt.
    Ohne die vielen Menschen zwischen uns fällt es mir leicht, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein Blick genügt mir. Ohne nachzudenken, gehe ich zu ihm. Er hebt die Zeitung noch ein wenig höher, aber es ist schon zu spät. Ich reiße sie ihm mit einer schnellen Bewegung aus der Hand und sehe mich der Person gegenüber, die mich in der letzten Viertelstunde offensichtlich verfolgt hat.
    »Was, zum Teufel, treibst du hier, Charlie?«
    Mein Bruder legt ein strahlendes Lächeln auf, aber das nützt ihm nichts.
    »Antworte gefälligst!« schnauze ich ihn an.
    Charlie wirkt beinah etwas beeindruckt. »Wow, fast wie bei Starsky & Hutch . Wenn ich jetzt ein Spion wäre … Oder der Schurke mit dem Haken?«
    »Ich habe deine Schuhe gesehen, Blödmann … Also, was soll das?«
    Charlie deutet mit einem Nicken auf die anderen Fahrgäste, die uns alle anstarren. Noch bevor ich reagieren kann, schlüpft er unter meinem Arm hindurch und geht zum anderen Ende des Waggons. Er bedeutet mir, ihm zu folgen. Als wir vorübergehen, schauen einige Fahrgäste hoch, aber nur ganz kurz. Typisch New York.
    »Wirst du mir jetzt sagen, was das soll, oder soll ich die Nummer hier einfach auf deine lang und länger werdende Liste mit blöden Verhaltensweisen setzen?« sage ich, während wir durch den Wagen gehen.
    »Länger werdend?« fragt er und schlängelt sich durch die Menge. »Ich weiß nicht, was du …«
    »Ich meine die Sache mit Shep!« Ich fühle, wie eine Ader in meiner Stirn pocht. »Wie konntest du ihm unser letztes Ziel verraten?«
    Charlie schaut mich zwar an, verlangsamt sein Tempo dabei aber nicht, sondern macht nur eine Handbewegung, als wäre das eine vollkommen blödsinnige Frage. »Komm schon, Oliver, bist du deswegen etwa immer noch sauer?«
    »Verdammt, Charlie, jetzt ist Schluß mit den Witzen!« Ich laufe hinter ihm her. »Hast du eine Ahnung, was du da gemacht hast? Ich meine, denkst du jemals in einer ruhigen Sekunde über irgendwelche Konsequenzen nach, oder springst du einfach von der Klippe und bist damit zufrieden, den Dorftrottel zu mimen?«
    Am anderen Ende des Waggons bleibt er plötzlich stehen, dreht sich herum und

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