Die Bank
mir einfach, wo diese verdammte Bank ist!« schreit Shep.
»Warum? Damit Sie Ihren Traum vom Seesack voller Geld ausleben können und wir Dreck fressen müssen?«
»Verdammt, ihr beiden, niemand läßt jemanden im Regen stehen!« ruft Charlie. Er schiebt sich zwischen uns und reißt mir den Stapel mit den roten Blättern aus der Hand.
»Was machst du da?« schreie ich und zerre an den Papieren.
»Laß … los!« Charlie reißt ein letztes Mal. Die beiden oberen Seiten reißen, und ich taumele nach hinten. Ich gewinne zwar schnell genug mein Gleichgewicht wieder, aber es reicht nicht, um ihn aufzuhalten. Charlie wirbelt zu Shep herum, blättert sich zum Ende des Stapels durch, zieht das rote Blatt heraus, auf dem Antigua steht, und faltet es, damit man nur die eine Bank auf der Liste sehen kann.
»Charlie … nicht!«
Zu spät. Er hält die Kontonummer mit einem Finger zu und hält Shep das Blatt unter die Nase. »Hast du’s?«
Shep wirft einen kurzen Blick darauf. »Danke … Mehr wollte ich nicht.«
»Was, zum Teufel, ist in dich gefahren?« schreie ich Charlie an.
»Ich will nichts mehr hören!« erwidert er. »Wenn wir hier sitzen und streiten, bekommt keiner nichts. Also füllt diese verdammten Papiere aus und macht weiter. Wir haben nur noch ein paar Minuten!«
Ich drehe mich zur Uhr herum und überzeuge mich selbst.
»Immer die Beute im Auge behalten, Oliver, Augen auf die Beute«, sagt Shep.
»Los!« ruft Charlie, während ich die letzte Zeile ausfülle. Er hat gerade unsere ganze Sicherheit aufgegeben, aber trotzdem ist es nicht wert, deswegen alles aufs Spiel zu setzen. Nicht, wo wir so kurz vor dem Ziel sind. Charlie stopft die roten Blätter wieder in meinen Aktenkoffer, und ich habe einen Stapel von vierzig abgetretenen Konten unter dem Arm. Als ich aus der Tür wanke, schaue ich nicht zurück, sondern nur nach vorn.
»So ist es richtig, Bruderherz!« ruft mir Charlie hinterher.
Los geht’s. Zeit, abzukassieren.
8. Kapitel
Charlie schlägt die Tür hinter mir zu. Ich hetze über den Flur des fünften Stocks und jongliere immer noch den Papierstapel in den Händen. Rechts von mir gleiten die Türen des öffentlichen Aufzugs zu, also haste ich zu dem Privatlift am hinteren Ende.
Die Ziffern über der Tür leuchten auf. Achter Stock … Siebter … Sechster … Ich kann es noch schaffen. Ich strenge mich an und tippe, so schnell ich kann, den sechsstelligen Code ein. Als ich die letzte Zahl drücke, rutscht der Stapel mit den abgetretenen Konten weg. Ich drücke ihn fest gegen meinen Bauch, aber die obersten Seiten segeln bereits hinunter. Sie landen auf dem Boden und breiten sich langsam wie eine Amöbe aus. Ich falle auf die Knie und raffe sie hastig zusammen. In dem Moment klingelt der Aufzug. Die Türen gleiten auf, und ich starre auf ein paar sehr elegante Schuhe. Das sind nicht die Schuhe von irgendwem …
»Kann ich dir helfen, Oliver?« fragt Lapidus, als ich hochblicke, und strahlt mir sein breitestes Grinsen entgegen.
»Wir benutzen wohl immer noch den Code vom Boß, was?« fragt Quincy, während er den Arm ausstreckt und mir die Tür offenhält.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln und fühle, wie mir das Blut aus dem Gesicht weicht.
»Brauchst du …?«
»Nein, danke, es geht schon«, erwidere ich. »Fahren Sie nur ruhig weiter.«
»Keine Sorge«, spottet Quincy. »Wir sind verrückt danach, zu warten.«
Als mir klar wird, daß sie nicht ohne mich weiterfahren, raffe ich rasch die letzten Blätter zusammen und husche in den Aufzug.
»Welche Etage darf es denn sein, Sir?« fragt Quincy.
»Entschuldigung«, stottere ich und ringe mir erneut ein Lächeln ab. Dann drücke ich die vier. Mein Finger zittert, als er den Knopf berührt.
»Nimm es dir nicht so zu Herzen, Oliver«, meint Lapidus. »Er ist nur sauer, weil er keinen Protegé hat.« Wie immer reagiert er perfekt auf die Situation. Und wie immer sind es genau die Worte, die ich hören will. Und wie immer brennt er, als er mich an sich zieht und väterlich umarmt, seine Initialen in meinen Rücken ein. Fall tot um, Lapidus. Dein Prügelknabe zieht weiter.
Es klingelt, und die Aufzugtüren gleiten auseinander. »Bis morgen«, sage ich und habe das Gefühl, als müßte ich gleich kotzen.
Quincy nickt nur, und Lapidus schlägt mir aufmunternd auf die Schulter.
»Übrigens«, ruft er mir hinterher. »War das Gespräch mit Kenny nett?«
»Selbstverständlich«, sage ich, während ich weitergehe. »Es war
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