Die Bank
erschöpft. Der Hurrikan hat mich einfach zu schnell überrollt. Alles dreht sich. Aber ich habe keine Wahl. Ich muß den Anordnungen von Lapidus gehorchen. Alles andere wäre viel zu verdächtig.
Ich verdrücke mich an einen der Kundentische, die an der rechten Wand stehen, nehme einen Kontozettel und tue so, als würde ich ihn ausfüllen. Von hier aus habe ich die Tür am besten im Blick. Der blonde Agent hakt dort immer noch die Ankömmlinge ab.
Einer nach dem anderen gibt seinen Namen an. Niemand von ihnen hält inne oder spielt auch nur mit dem Gedanken umzukehren. Das überrascht mich nicht. Der einzige, der hier ein schlechtes Gewissen hat, bin ich. Aber je länger ich hier sitze, desto weniger Sinn ergibt die ganze Angelegenheit. Sicher, für Charlie und mich sind drei Millionen ein Batzen Geld, aber hier in der Bank … Das ist nicht gerade so, als wäre alles zu Ende. Und die Art und Weise, wie Shep mich gefragt hat, ob ich es gewesen wäre. Er hat sich keine Sorgen darüber gemacht, ob man ihn erwischt …
Ich lasse meinen Blick durch die bevölkerte Lobby gleiten und kontrolliere, ob mich jemand beobachtet. Sekretärinnen, Analysten, selbst der verantwortliche Agent – alle sind vollkommen mit ihrer Arbeit beschäftigt. Die Leute strömen durch die Drehtür, und ihre Namen werden abgehakt. Ich schiebe mich auf ebendiese Tür zu. Vermutlich ist das der beste Weg nach draußen …
»Haben Sie sich schon angemeldet?« fährt der Agent mit dem blonden Haar mich an.
»Ja … ja«, sage ich, als mich meine Kollegen, die anstehen, anstarren. »Oliver Caruso.«
Er kontrolliert das mit einem kurzen Blick auf die Liste und sieht dann hoch. »Gehen Sie weiter.«
Ich schiebe mit der Schulter die Tür, so fest ich kann. Als sie nachgibt, werde ich auf die kalte Straße hinausgespuckt und haste um die nächste Ecke.
Während ich die Park Avenue entlanglaufe, suche ich nach einem Zeitungsstand. Ich hätte es wissen müssen. Diese Gegend zieht nicht gerade den Mob an, der von der Straße kauft. Bis auf die öffentlichen Telefone sind die Ecken verwaist. Ich ignoriere den Schmerz, den es bereitet, in Anzugschuhen zu laufen, biege scharf in die 37th ein und renne bis zum Ende des Blocks. Auf dem Zement fühle ich jeden Schritt. Als ich die Madison Avenue erreiche, trete ich auf die Bremse und rutsche an einen Zeitungsstand heran.
»Haben Sie Telefonkarten?« frage ich den unrasierten Burschen, der sich hinter dem Tresen an einem Heizlüfter wärmt. Er deutet mit einer großen Geste auf sein Warenangebot. »Was glauben Sie wohl?«
Ich drehe mich suchend um …
»Hier!« unterbricht er mich und deutet mit dem Daumen über seine Schulter. Sie hängen neben den Rollen von Rubbellosen, die wie Toilettenpapier aussehen.
»Ich nehme die zu fünfundzwanzig Dollar«, sage ich.
»Wundervoll«, erwidert er. Er zieht gleichgültig die Freiheitsstatue von dem Klemmbrett, und ich werfe ihm zwei Zwanziger hin.
Während ich auf das Wechselgeld warte, reiße ich schon an Ort und Stelle die Plastikverpackung auf. Sicher, ich könnte wieder zu der Anwaltskanzlei gehen, aber nach heute morgen möchte ich nicht riskieren, daß jemand meine Wege von gestern zurückverfolgen kann. »Funktionieren die auch für Auslandsgespräche?«
»Sie können damit die Königin von England anrufen und ihr sagen, sie soll ihre Pitbulls rasieren!«
»Großartig. Danke.« Ich umklammere die Karte und laufe zur Park Avenue zurück, überquere die sechsspurige Straße und bleibe an einer Telefonzelle schräg gegenüber der Bank stehen. Es gibt zwar unverdächtigere Orte für ein Telefonat, aber so kann mich niemand in der Bank sehen. Wichtiger ist noch, daß ich nur wenige Blocks von der U-Bahn entfernt bin. Von hier aus habe ich die beste Möglichkeit, Charlie abzupassen.
Ich wähle die 800er Nummer auf der Rückseite der Telefonkarte und gebe den Pin-Code ein. Als eine Automatenstimme nach der gewünschten Nummer fragt, ziehe ich hastig meine Brieftasche heraus, schiebe den Finger hinter meinen Führerschein und hole einen winzigen Schnipsel Papier heraus. Ich tippe die zehnstellige Zahl ein, die ich in umgekehrter Reihenfolge auf den Zettel geschrieben habe. Es ist zwar schon ziemlich riskant, die Nummer von Antigua mit sich herumzutragen, aber wenn ich wirklich erwischt werden sollte, muß ich es den Leuten ja nicht unbedingt einfach machen.
»Danke, daß Sie die Royal Bank von Antigua angerufen haben«, antwortet mir eine digitale weibliche
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