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Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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haben.
    Charlie stürmt einen Flur entlang, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß ich ihm folge. Die alten Instinkte sind hellwach. Am anderen Ende des Korridors springt er auf die Rolltreppe und nimmt zwei Stufen auf einmal. Hinter ihm klacken meine Absätze auf die Metallrillen. »Sind sie immer noch hinter uns?« fragt er.
    »Bring uns einfach hier raus!« Ich will mich nicht umsehen.
    Am oberen Ende der Rolltreppe, die in einem Gewimmel von Zeitungsläden endet, führt nur ein freier Weg nach links, zurück in die Haupthalle. Charlie läuft geradeaus weiter, auf die beigefarbene Personaltür in der Ecke zu.
    »Die sieht abgesperrt aus!« rufe ich.
    »Ist sie nicht«, behauptet er. »Jedenfalls war sie das noch nie.«
    Ich sende ein Stoßgebet zum Himmel, daß sich die Dinge nicht plötzlich geändert haben, und sehe, wie er sich gegen die Tür stemmt. Sie schwingt auf. Dahinter liegt ein Flur, der ebenfalls in einem beigefarbenen Ton gestrichen ist. Die Schritte meines Bruders werden länger. Hier kennt er sich aus. Und ich bin noch orientierungsloser als sonst. Ich balle die Fäuste und laufe schneller.
    »Geht’s?« fragt Charlie, als er sich einmal umsieht.
    »Ja!« keuche ich und starre nach wie vor stur geradeaus.
    Vor uns liegen zwei automatische Drehtüren. Wir treten auf die Sensormatten, und die Türen werden blinkend freigegeben. Ich rieche sofort die Abgase. Hinter den Türen sind die Lichter gedämpft, und die Höhle wird größer. Es sind fensterlose Ziegelwände und eine alte hölzerne Kassennische mit einer Klingel davor. Charlie betrachtet die etwa fünfzig Wagen, die Stoßstange an Stoßstange in der unterirdischen Garage geparkt sind.
    »Haben Sie ein Ticket?« ruft uns ein Mann mit einem puertoricanischen Akzent zu.
    »Nein, danke«, erwidert Charlie und atmet durch. Er schaut zu den automatischen Türen zurück und sucht Gallo und DeSanctis. Die Türen schließen sich mechanisch. Niemand da. Jedenfalls noch nicht. Aber bevor wir uns entspannen können, dreht sich mir der Magen um, und ich muß mich erbrechen. Die milchigbraunen Reste meines morgendlichen Rosinenmüslis ergießen sich auf den Asphalt. Allein der Geruch drängt mich unwiderstehlich, es noch einmal zu tun. Ich beiße die Zähne zusammen.
    »Bist du sicher, daß alles okay ist?« erkundigt sich Charlie zum dritten Mal.
    Ich beuge mich vor, stütze mich auf den Knien ab und spucke aus.
    »Glaubt nur nicht, daß ich das saubermache«, erklärt der Puertoricaner in seinem Häuschen.
    Charlie ignoriert ihn und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Sie sind weg«, verspricht er mir. »Alles klar.« Die Worte hören sich gut an, aber sie gehen am Thema vorbei.
    »Was?« Charlie mustert meine grüne Gesichtsfarbe. »Was hast du?«
    Mein Magen ist leer, und ich drohe das Bewußtsein zu verlieren. Aber erst als ich den Speichel mit dem Handrücken von meine Unterlippe wische und mich langsam aufrichte, sieht Charlie meine Augen.
    Ohne daß wir ein Wort wechseln müssen, begreift er, warum ich nicht zurücksehen wollte, als wir geflohen sind. Sicher, ich hatte Angst, aber nicht vor dem, was hinter uns her war, sondern vor dem, was wir zurückgelassen haben. Shep. Ich starre auf das Erbrochene zu meinen Füßen. Von wegen Angst. Das sind Schuldgefühle.
    »Es ist nicht deine Schuld, Ollie. Als du die Kontonummer herausrücken wolltest, hat Shep selbst dir gesagt, du sollst den Mund halten.«
    »Aber wenn wir nicht … Verdammt, wie konnte ich nur so ein Idiot sein? Wenn wir nicht da gewesen wären … Wenn ich nicht so wütend über Lapidus gewesen wäre …«
    »Hast du’s denn immer noch nicht kapiert?« fragt er. »Es spielt keine Rolle, was du geglaubt hast. Shep hätte das Geld gestohlen, ob wir nun da waren oder nicht. Basta. Das war’s.«
    Ich hebe den Kopf. »Glaubst du wirklich?«
    »Natürlich«, erwidert er, doch noch während er es sagt, verrät ihn seine Miene. Er ist plötzlich grün im Gesicht.
    »Geht es dir gut?« frage ich.
    Er antwortet nicht. Statt dessen deutet er auf die steile Rampe, die zu der verschneiten Straße hinaufführt. »Wollen wir?«
    Noch bevor ich nicken kann, läuft Charlie geradewegs die Rampe hinauf. Ich schließe die Augen und stelle mir kurz vor, wie Sheps Leiche wie eine Puppe auf dem Boden liegt, dann jage ich so schnell wie möglich hinter meinem Bruder her. Bedauerlicherweise gibt es einige Dinge, vor denen man einfach nicht weglaufen kann.
    Ich bin immer noch hinter meinem Bruder, als

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