Die Bankerin
dem ganzen Geld durchgebrannt. Und jetzt sind beide tot, ermordet. Na ja, egal, jedenfalls kam dann dieser Brief von der Bank. Von deiner Mutter. Als ich eines Tages mit meinen ganzen Unterlagen bei ihr vorsprach, empfing sie mich genau so, wie du sie vorhin beschrieben hast, wie eine graue Maus, damals verglich ich sie mit einer sozialistischen Grenzbeamtin. Sie machte mir nicht viel Hoffnung, wasmeine Zukunft anging, aber immerhin wollte sie sich Gedanken machen. Am nächsten Tag rief sie mich an und bat um ein weiteres Gespräch, diesmal in einem Restaurant, was mich verwunderte, denn wieso bestellte diese Frau mich in ein Restaurant? Ich erzählte Johanna, das ist meine Frau, nichts von dem ungewöhnlichen Treffen, vielleicht hat mir damals schon eine innere Stimme zugeflüstert, ich solle vorsichtig sein und aufpassen, was ich tue. Und mit niemandem darüber sprechen. Hast du auch schon mal eine innere Stimme gehört?«
»Ab und zu. Es ist, als ob jemand in dir drin sitzt. Jemand, der es gut mit dir meint.«
»Als ich kam, war deine Mutter schon da. Ich erkannte sie, obgleich sie völlig verändert aussah. Sie war geschminkt, sommerlich gekleidet, die Haare fielen locker bis auf ihre Schultern. Ich war völlig verwirrt, und sie muß diese Verwirrtheit bemerkt und ausgenutzt haben. Wir aßen und tranken, und sie bezahlte alles, nur vom Geschäft redeten wir nicht. Draußen tat sie, als hätte sie es glatt vergessen, obwohl ich mehrere Male das Gespräch in diese Richtung lenken wollte. Sie bat mich um Verzeihung und ob ich nicht noch etwas Zeit hätte, mit zu ihr zu kommen, es würde nicht lange dauern. Nun, es dauerte wirklich nicht lange, sie kam schnell zur Sache. Sie sagte, sie würde eine Möglichkeit für mich sehen, alle meine Schulden loszuwerden. Das heißt, sie würde alle Schulden übernehmen, und mir war völlig egal, ob das auf legale oder illegale Weise geschah, Hauptsache, ich wurde diesen fürchterlichen Druck los. Ich fragte sie, wie das gehen solle, worauf sie nur meinte, es wäre ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Sie täte etwas für mich, und ich müßte etwas für sie tun.« David machte eine Pause, sie liefen, ohne stehenzubleiben, er hatte den Blick zu Boden gerichtet. Esther war etwas näher gerückt, ihre Arme berührten sich, dann hielt sie plötzlich an, umfaßte David und küßte ihn.
»Und dann?« fragte sie. »Was waren die Bedingungen? Sieist allein, sie bräuchte im Prinzip höchstens eine Zugehfrau, die einmal in der Woche den Mülleimer leert und ein bißchen Staub wischt. Sie wollte Liebe, stimmt’s?«
»Ja, sie wollte mich. Sie wollte meine Gesellschaft. Dreimal in der Woche für je vier Stunden. Und dafür würde sie meine Schulden bezahlen, wie immer sie das macht.«
»Was heißt Gesellschaft?«
»Ganz einfach, sie wollte, daß ich mit ihr schlafe. Als ich ihr, entsetzt über dieses Angebot, sagte, daß ich verheiratet bin und noch nie Ehebruch begangen hatte, antwortete sie kühl, das würde ihr nichts ausmachen, aber ich sollte die Vorteile dieses Geschäfts bedenken. Nun, ich nahm ihr Angebot an. Und jetzt frage ich mich, ob es nicht ein Wink des Schicksals war, denn nur so konnte ich dich kennenlernen. Manchmal denke ich, es ist ein Spiel oder ein Traum, dann denke ich wieder, es ist eine Fügung des Schicksals, das uns auf verschlungensten Pfaden zusammengeführt hat, dann wieder denke ich, genau wie du, es ist blanker Wahnsinn. Vielleicht ist auch alles nur Zufall, ein böser, traumatischer Zufall. Aber angeblich soll es keine Zufälle geben, irgendwer hat gesagt, Zufall sei nichts anderes als das Pseudonym Gottes, das er benutzt, wenn er nicht mit seinem eigenen Namen unterzeichnen will.«
»Und wie fühlst du dich dabei, ich meine, wenn du
dafür
bezahlt wirst?« fragte Esther mit der ihr eigenen, unbefangenen Neugier. An einem Himbeerstrauch blieb sie stehen und pflückte ein paar der überreifen Beeren, betrachtete sie im diffusen Licht des abendlichen Waldes und reichte David eine. Er schüttelte den Kopf. Sie steckte sich zwei in den Mund und fragte beim Kauen, ob er Angst vor Würmern hätte, und pflückte weiter.
»Wie ich mich fühle?« fragte David mit echter Verzweiflung. »Wie eine Hure! Wie eine gotterbärmliche Hure! Aber nenn mir eine andere Lösung! Deine Mutter hat mich an der schwächsten Stelle gepackt.«
»Macht es dir Spaß?«
»Nein, jetzt nicht mehr.«
»Das heißt, es hat dir Spaß gemacht. Sie hat auch einen tollen Body.«
»Du
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