Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
einem Magazin. Vor ihr auf dem Tisch stand eine halbleere Flasche Rotwein und ein fast volles Glas. Sie blickte kurz auf, als David und Esther eintraten, und mit einemmal hatte David das Gefühl, als funkelten ihre Augen gefährlich (zumindest erschienen David nach den Erzählungen Esthers plötzlich diese Augen als gefährlich und bedrohlich). Sie trug ein legeres Kleid, war barfuß.
    »Hallo«, sagte Esther und ging an den Schrank, holte zwei Gläser heraus und schenkte erst David, dann sich eine Whisky-Cola ein.
    »Deine werte Gattin hat angerufen«, sagte Nicole, setzte sich aufrecht hin und nahm einen letzten Zug an der Zigarette, bevor sie sie im Aschenbecher ausdrückte. Dabei beugte sie sich nach vorn, der Ansatz ihrer vollen Brüste wurde sichtbar, Brüste, die plötzlich nichts Anziehendes mehr für David hatten. Weder ihre Hände, diese makellosen Finger, noch ihre Scham oder der volle Mund machten ihn wild. Im Vergleich mit Esther war sie eine uralte Frau, mit tiefen Gräben um den Mund und die Augen, Haar wie altes Heu … Dabei gehörte David nicht zu jenen, die voll Geilheit hinter jungem Fleisch her waren! Er war ein treuer Mann, der stets jegliches aufflammende Begehren sorgfältig zu kontrollieren wußte. Zumindest bis vor kurzem. Doch wenn David liebte, dann war sein ganzes Herz, seine Seele dabei, und dann hätten Heerscharen von Brüdern aus der Gemeinde wie die Armee Gottes auftreten können, diesen um ihn gebauten Panzer wären sie nie zu zerstören in der Lage gewesen.
    Er hatte seine Zuneigung eindeutig verteilt. Es gab keine Frau, die mit Esther mithalten konnte, es würde nie eine andere mehr geben. Er hatte zwanzig Jahre lang mehr unbewußt denn bewußt in einem Käfig zugebracht, er fühlte sich mit einemmal wie ein eingesperrtes Tier, doch jetzt hatte er eine Möglichkeit zur Flucht gefunden, und er würde sich diese Chance nicht nehmen lassen. Nicht von Johanna, nicht von seinen Kindern, schon gar nicht von Nicole. Sein Verstand, der so viele Jahre hinweg sein täglicher Begleiter gewesen war, dieser Verstand war von einer Woge unerklärlicher und ungeahnter Gefühle fortgeschwemmt worden.
    Warum konnte Nicole nicht schlafen, schnarchend im Bett liegen und David und Esther sich in Ruhe verabschieden lassen? Esther wollte mit ihm schlafen – schlafen und nicht ficken, wie bei Nicole, er hätte Esther nie ficken können. Erwollte einfach nur in ihr versinken, ihre kleine, warme Höhle erforschen, sein Ohr auf ihren Herzschlag legen und sein Herz im gleichen Rhythmus schlagen lassen. Er wollte nur zärtlich sein und ihr all die Liebe geben, die er, wie es schien, mehr als vierzig Jahre lang nur für sie aufgespart hatte.
    »Deine Frau wollte wissen, ob sie dich irgendwo erreichen kann. Ich habe gesagt, leider nein, aber du wärest sicher kurz nach Mitternacht zu Hause.«
    »Hat sie etwas Besonderes gewollt?« fragte David.
    »Glaube nicht, sie hat sich ganz ruhig angehört. Sie will wohl nur kontrollieren, ob zu Hause auch alles mit rechten Dingen zugeht. Kann man’s ihr verdenken?« fragte sie anzüglich. »Wärst du jetzt gerne bei ihr?«
    »Nein, nicht wirklich. Ich werde dann gehen«, sagte David, nachdem er ausgetrunken hatte, und stellte sein Glas auf den Beistelltisch neben dem Sekretär.
    »Bis übermorgen«, sagte Nicole, trank ihr Glas Rotwein leer, kam auf David zu und küßte ihn auf den Mund. David ließ es über sich übergehen, aus den Augenwinkeln registrierte er die Reaktion von Esther, die sich verstört abwandte.
    »Bis übermorgen«, sagte David leise und öffnete die Tür. Und er glaubte zu wissen, was in Esther vorging.

Montag, Mitternacht
    Das Telefon klingelte, kaum daß David die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er zögerte, ob er abnehmen sollte, tat es dann aber doch, es konnte immerhin Johanna sein.
    »Hallo, Schatz«, sagte sie durch die rauschende und knakkendeLeitung. »Ich habe heute am späten Nachmittag schon mal probiert, aber du warst nicht da.«
    »Ich habe Thomas besucht. Ich habe ihm Grüße von euch ausgerichtet.«
    »Du klingst so merkwürdig«, sagte Johanna. »Ist irgendwas passiert?«
    »Nein, ich bin nur müde«, schwindelte David. »Die Hitze und die viele Arbeit, du weißt ja.«
    »Geh schlafen, ich wollte nur kurz deine Stimme hören. Du fehlst uns. Ansonsten geht’s uns gut, es ist eben nur schade, daß du nicht hier sein kannst.«
    »Ja, schade.«
    »Ist Alexander da?«
    »Glaube nicht, ich bin eben erst reingekommen. Soll ich

Weitere Kostenlose Bücher