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Die Bankerin

Die Bankerin

Titel: Die Bankerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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nachsehen?«
    »Nein, nein, grüß ihn von mir. Und er soll’s nicht übertreiben. Tschüs, Schatz, und laß dir die Zeit nicht zu lang werden. Ich liebe dich.«
    »Mach’s gut und gib den Kindern einen Kuß von mir. Wann rufst du wieder an?«
    »Weiß nicht, laß dich einfach überraschen.«
    David legte auf. Hatte er wirklich mit der Frau gesprochen, die über zwanzig Jahre lang seine treue und ergebene Begleiterin gewesen war? Die zu lieben er geglaubt hatte, aber es mußte wohl etwas anderes gewesen sein. Vielleicht hatten sie sich gebraucht, als Stütze, einer für den anderen. Sie hatten Kinder gezeugt, um so noch unzertrennlicher zu werden, aber sie hatten nie damit gerechnet, daß eines Tages jemand kommen könnte, der wie ein Orkan durch diese scheinbar so harmonische Ehe hindurchfegte und David einfach mit sich zog.
    Er ließ Wasser in die Wanne laufen und setzte sich auf den Badewannenrand. Durch das geöffnete Fenster drang ein Schwall Mücken, die sich, vom Licht angezogen, an die Decke und die Lampe setzten. Er war nicht müde, ehererschöpft. Er zog sich aus, warf die schmutzige Wäsche in den Korb und legte sich in die Wanne. Er hatte seit dem frühen Abend nichts gegessen, ihm war übel. Ein Kind weinte, eine Mutter schimpfte, ein Fenster wurde zugeworfen. Irgendwo über ihm wurde Musik angestellt, eine Sirene heulte durch die Nacht, die Mücken umtanzten das verführerische Licht. Er wusch sich die Haare und rasierte sich, blieb eine halbe Stunde im Wasser liegen. Als er sich abgetrocknet hatte, schaute er in den Spiegel, er hatte Ränder unter den Augen, sein Gesichtsausdruck war ernst.
Wer bist du?
fragte er sich.
Und wo gehst du hin? Ist es ein Anfang oder das endgültige Ende?
    Er lief nackt durch die Wohnung, noch fühlte er sich frisch, schmierte sich zwei Scheiben Brot und trank eine Flasche Wasser. Der PVC-Boden war abgelaufen und an den Kanten schmierig und verdreckt, der Teppichboden wölbte sich an vielen Stellen, die Farben waren verblaßt, die Tapeten stammten noch von den Vormietern und hätten längst erneuert werden müssen, alles Inventar war alt und brüchig und vergammelt. Der Kühlschrank surrte laut, es war nur eine Frage der Zeit, bis er seinen Geist aufgab, die Waschmaschine klackerte beim Waschen und machte einen Höllenlärm beim Schleudern. Es gab in dieser Wohnung kaum etwas, das intakt und vorzeigbar war.
    David aß, weil er Hunger hatte, wenn auch ohne Appetit. Sein Magen füllte sich, seine Laune wurde nicht besser. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und sich zurückgelehnt. Das Telefon! Um halb zwei in der Nacht konnte das nur die Fistelstimme sein. Er ließ es dreimal läuten, dann nahm er mit einem barschen »Ja« ab.
    »Ich bin’s, Esther«, flüsterte sie kaum hörbar. »Hab ich dich geweckt?«
    »Was ist mit Nicole?« fragte David besorgt.
    »Sie schläft schon seit einer halben Stunde. Ich habe die ganze Zeit überlegt, ob ich dich so spät noch anrufen kann.Es ist blöd, aber ich vermisse dich. Warum kannst du jetzt nicht hier sein?«
    »Es ist schön, deine Stimme zu hören. Paß nur auf, daß Nicole dich nicht erwischt. Es könnte fatale Folgen haben.«
    »Sie hat noch die Flasche Rotwein ausgetrunken. Die wacht nicht vor morgen früh auf.«
    »Sehen wir uns morgen?« fragte David.
    »Ich bringe dich um, wenn du morgen früh nicht spätestens um zehn hier bist«, sagte sie leise lachend.
    »Ich werde dasein. Ich liebe dich, Engel.«
    »Ich würde mich jetzt am liebsten die ganze Nacht mit dir unterhalten«, sagte sie, »aber dann sind wir beide morgen früh nicht ausgeschlafen. Ich werde von dir träumen. Schlaf gut.«
     
    Kaum hatte David den Hörer aufgelegt, läutete es erneut. Mit einem Schmunzeln nahm er ab (was sie ihm wohl noch sagen wollte?), flüsterte: »Ja, mein Engel?« Am anderen Ende Stille, nur hastiges Atmen, dann gackerndes Lachen.
    »Schön, wenn du mich Engel nennst«, sagte die Fistelstimme. »Mit wem hast du telefoniert, Drecksau? Ist sie hübsch, ist sie jung? Oder war es gar deine Frau? Aber deine Frau wird dich doch nicht mitten in der Nacht aus dem Bett holen, und zu ihr sagst du bestimmt nicht mehr Engel. Jetzt werde ich mir die ganze Nacht den Kopf zerbrechen, wer das gewesen sein könnte. Tz, tz, tz! Aber ich will dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich wollte dir nur sagen, daß ab jetzt der Tanz losgeht. Ein Czardas oder vielleicht auch eine Polka, aber du wirst es vielleicht einen Veitstanz nennen!«
    »Halt dein

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